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Archiv-Artikel

Pistolen, Pulver, Passion

Haschrebell, Stadtguerillero, Verfolgter, Junkie und Weltinterpret: Bommi Baumann legt mit „Rausch und Terror“ seinen neusten „politischen Erlebnisbericht“ vor

Schon im Spitznamen von Michael Baumann gehen zwei Dinge eine Verbindung ein, die sein Leben prägen wie keine anderen: Rausch und Terror. Denn „Bommi“ heißt er, anders als es immer vermutet wird, nicht wegen seiner Zuneigung zum Sprengstoff, sondern seines Lieblingsgetränkes wegen: Bommi mit Pflaume.

In den 60ern bekommt das Arbeiterkind, das Betonbauer gelernt hat, Kontakt zur Studentenbewegung und zur Kommune I. Der Tod Benno Ohnesorgs überzeugt ihn von der Notwendigkeitdes praktischen Kampfs in den Metropolen zur Unterstützung der Guerillas in der Dritten Welt. Nach ein paar Monaten Knast schließt er sich dem „Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen“ an, der später mit anderen Gruppen zur „Bewegung 2. Juni“ wird. Nach dem Tod Georg von Rauchs 1972 flieht er, unter anderem nach Syrien, Iran, Afghanistan und Indien.

Erzählt hat Bommi von seinem bewegten Leben und seinen beiden Leidenschaften schon immer gern. Nicht nur 1975 in seiner sofort beschlagnahmten und von sich gegen Zensur zur Wehr setzenden linken Schriftstellern und Verlegern neu veröffentlichten Autobiographie „Wie alles anfing“. Schon zwei Jahre zuvor hatte Bommi sein Wissen preisgegeben: Die Gauck-Behörde entdeckte einen 125-seitigen handgeschriebenen Bericht für die Stasi, insgesamt 94 Personen aus der Stadtguerilla kamen darin vor, minutiös waren Überfälle, Anschläge, Waffenkaliber und sexuelle Präferenzen aufgeführt.

Nun hat Bommi einen „politischen Erlebnisbericht“ vorgelegt, der unter dem Titel „Rausch und Terror“ im Berliner Rotbuchverlag erschienen ist (256 Seiten, 17,90 €). Darin erfährt man unter anderem, dass er bis 1993 opiatabhängig gewesen ist, dass es aber unmoralisch ist, Heroin zu kaufen. Denn dann tötet man „unweigerlich Menschen, und die hast du dann auf dem Gewissen. Man misshandelt keine alten Leute, keine Kinder, und genauso wenig handelt man mit Heroin.“

Der Kern des Buchs ist aber die These von der unweigerlichen Verbindung von Pulver und Pistolen: Der „Krieg gegen den Terror“, eine Verlängerung und Verschärfung des Ende der 60er begonnenen „Krieges gegen die Drogen“. Das Ergebnis: ein System der Angst. Rausch und Revolution, in Bommis Leben und nun auch in der Theorie unzertrennlich. ROBERT MATTHIES

Do, 23. 10., 20 Uhr, Pudel Salon, Am St. Pauli Fischmarkt 27