piwik no script img

Archiv-Artikel

Eingeschlafen in irakischen Ruinen

Iraks regierende Baath-Partei bereitet sich in ihrer Weise auf den Krieg vor. Erstmal wird in weiser Voraussicht das Parteimuseum vergrößert. Dann die Bevölkerung beruhigt: „Auf unserer Seite stehen schließlich Gott und Saddam Hussein“

aus Bagdad KARIM EL-GAWHARY

Sie brachte Saddam Hussein einst an die Macht und ist heute eines seiner wichtigsten Kontrollinstrumente – Iraks Baath-Partei. In einem kleinen, fast intim wirkenden Parteimuseum in Bagdad zelebriert sie ihre revolutionären Tage. Vor der Tür steht ein VW-Käfer Baujahr 1954, mit dem einst Flugblätter verteilt wurden. Im Inneren des Hauses finden sich alte Schreib- und Druckmaschinen, vergilbte Flugblätter und Briefe und natürlich zahlreiche alte Fotos eines fast jugendlichen Saddam Hussein. In einer Vitrine ist sogar das Gewehr ausgestellt, mit dem er auf den früheren Premierminister Abdel Karim Qassem geschossen hatte, bevor er auf einem ebenfalls ausgestellten Motorrad die Flucht nach Damaskus ergriff.

Und auch wenn jetzt US-Truppen fast vor der Tür stehen, hat Museumsdirektor Ahmad Saadoun weiter große Pläne. In wenigen Wochen soll das ganze Museum neu renoviert und gestrichen werden, erzählt er stolz. Es soll sogar größer werden. Zu viele interessante Stücke der Parteigeschichte lagerten unbeachtet im Land und müssten der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sagt er.

Die Partei umspannt das Land wie ein Baum mit Verästelungen bis in jedes Wohnviertel hinein. Abu Haitham stellt sozusagen das äußerste Zweiglein dar. Er ist der Muchtar von Amriya, eine Art Blockwart in dem Bagdader Viertel. Als Büro dient ihm eine kleine Garage. Dort sitzt er, bekleidet mit einem blauen knöchellangen Gewand und einem weißen Kopftuch, hinter dem Schreibtisch und wärmt sich seine Füße an einem elektrischen Heizstrahler. Der Muchtar wird von der Partei bestimmt, muss in seinem Viertel einen guten Ruf haben, mindestens eine mittlere Ausbildung und keinen Eintrag im Strafregister, zählt Abu Haitham die Bedingungen für sein Amt auf. Seine Aufgabe sei es, die Behörden über alles Auffällige zu informieren.

Über 2.000 Haushalte groß ist das Reich Abu Haithams. Wer seiner Kinder an eine andere Schule schicken will, wer einen neuen Job beginnt oder einen neuen Führerschein beantragt, der muss zunächst beim Muchtar vorbeischauen, der Identität und Wohnort bestätigt und den Vorgang in ein Buch einträgt.

Auch für die Kriegsvorbereitung spielen die Muchtars eine wichtige Rolle. Sie lassen Brunnen graben, stellen sicher, dass der lokale Bunker vorbereitet ist, und viele sind auch selbst bewaffnet. Am Ende werden sie wohl sie für die Einhaltung der Ausgangssperre sorgen, die die Regierung im Falle eines Angriffs angekündigt hat. Informieren muss er dazu niemanden mehr, sagt Abu Haitham. Die Menschen wurden bereits von der Partei informiert oder haben es in der Zeitung gelesen.

Manchmal kommt auch ein kriegsbesorgter Nachbar vorbei, sagt Abu Haitham. Dann „bitte ich ihn, sich hinzusetzen, gebe ihm einen Tee und sage ihm, er soll einfach voll und ganz dem Staat und die Regierung vertrauen“. Denn, meint er: „Auf unser Seite stehen schließlich Gott und Saddam Hussein.“