: Kommando aus Geilenkirchen
An der Awacs-Base wird heute demonstriert. taz-Serie „Stützpunkt Deutschland“, 7. Teil
Selbst wenn die Bundesregierung in ihrer Ablehnung des Irakkrieges konsequent wäre und die deutschen Besatzungsmitglieder der Awacs-Maschinen aussteigen ließe, bevor sie in Richtung türkisch-irakische Grenze aufbrechen, die logistische Basis für die Flotte bliebe in der Bundesrepublik. Seit 1982 sind die fliegenden Kommandozentralen der Nato in Geilenkirchen, etwa 30 Kilometer nördlich von Aachen, stationiert. Etwa 3.000 Militärs und Zivilangestellte betreiben seitdem den zuvor von der britischen Royal Air Force genutzten Stützpunkt.
Schon als die ersten Awacs im Rheinland eintrafen, provozierte der Stützpunkt Proteste. Mobilisiert durch die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Europa, sahen Friedensgruppen in den Achtzigerjahren die vermeintlich rein defensiven Awacs auch als fliegende Kommandozentralen zur Steuerung von Angriffen jenseits der Grenze des militärischen Gegners – damals die Sowjetunion und ihre osteuropäischen Verbündeten.
Tatsächlich können die in Geilenkirchen stationierten Flugzeuge weit über die Grenzen des Bündnisgebietes in „den Luftraum eines potenziellen Aggressors“ blicken, wie die Nato selbst die Aufgaben der Flotte beschreibt. Bis zu 500 Kilometer weit reicht das Blickfeld des Radars. Das „Airborne Early Warning and Control System“ bietet, so die Beschreibung ihrer Mission, „Kommunikationsunterstützung bei Luftoperationen“ insbesondere bei der „Luftunterstützung für Bodentruppen“. Deshalb gehören zu einer Awacs-Crew ein so genannter fighter allocator und zwei weapons controler, die aus dem Flugzeug heraus die Aktionen von Kampfflugzeugen koordinieren.
Zwar ist Geilenkirchen nicht der einzige Stützpunkt der Flotte von 17 umgerüsteten Boeing 707 mit der offiziellen Typenbezeichnung E-3A. Im italienischen Trapani, im griechischen Aktion, im norwegischen Orland und im türkischen Konya stehen Basen jederzeit für die Stationierung bereit. Doch Geilenkirchen ist im Nato-Sprachgebrauch die main operating base.
Etwa ein Drittel der Besatzung stellt jeweils die Bundeswehr. Zusammengesetzt aus elf Nato-Staaten ist die Awacs-Flotte der einzige Verband, der selbst in Friedenszeiten unmittelbar der Nato unterstellt ist. Auch deshalb kamen die Awacs gleich ins Spiel, als die US-Regierung nach dem 11. September von der Nato angebotene militärische Unterstützug abrief.
Abgestellt wurden die Flugzeuge aus Geilenkirchen damals vordergründig, um das bedrohte Territorium der Vereinigten Staaten zu schützen. Tatsächlich war die Entsendung der Awacs aber eine militärische Unterstützung für den Krieg in Afghanistan. Denn die Flotte aus Geilenkirchen ersetzte im nordamerikanischen Luftraum entsprechende Maschinen der USA, die so zur Steuerung der Bombenangriffe über Afghanistan abgezogen werden konnten. Eine solche Feuerleitfunktion könnten die Awacs, wie schon im Golfkrieg 1991, auch in einem neuen Irakkrieg wahrnehmen.
Die Veranstalter einer für heute Nachmittag auf dem Marktplatz der Stadt geplanten Friedensdemonstration – getragen von den Kirchen, SPD und Grünen – wollen aber nicht gegen die Stationierung der Awacs in Geilenkirchen protestieren. Winfried Müller, katholischer Pfarrer der Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt und einer der Organisatoren, betont, dass man in Frieden mit allen Awacs-Angehörigen lebe.
„Wir müssen aber darauf hinweisen“, so Pfarrer Müller, „dass das Verteidigungssystem Awacs in einen Angriff einbezogen wird, wenn es zu einem Krieg kommt.“ ERIC CHAUVISTRÉ