: Terroralarm terrorisiert nur Polizei
Hamburger Polizei musste zum Großeinsatz ausrücken: Aber bisher wurden keine Terroristen oder Sprengsätze gefunden. Trotzdem bleibt Schill-Innensenator Dirk Nockemann dabei, dass Terroralarm gerechtfertigt war. Vielleicht weil Wahlkampf ist?
AUS HAMBURG KAI VON APPEN
Hamburgs Innensenator Dirk Nockemann (Partei Rechtsstaatliche Offensive – Schill) bleibt dabei: Die Absperrungen rund um das Bundeswehrkrankenhaus im Stadtteil Wandsbek werden vorerst nicht abgebaut. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte die auffällige Aktion als „kontraproduktiv“ kritisiert, um nach den möglichen Attentätern zu fahnden.
Diese Kritik kann Nockemann nicht nachvollziehen: „Nach den in Hamburg schriftlich vorliegenden Informationen des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist der Objektschutz für das Bundeswehrkrankenhaus dringend erforderlich.“ Allerdings wurde dieser Objektschutz inzwischen gelockert: Passanten müssen nicht mehr in der Kälte warten, sondern ein Blick in den Personalausweis reicht an den Sperren weit vor der Klinik. Autos werden durchgewunken; nur direkt an der Einfahrt zum Krankenhaus wird noch streng kontrolliert.
Der Zeitpunkt für den „Terroralarm“ kam gelegen: An diesem Dienstag vor Silvester debattierte die Hamburger Bürgerschaft in einer Sondersitzung über das Ende der Schwarz-Schill-Koalition und machte den Weg frei für Neuwahlen. Dafür interessierte sich die Öffentlichkeit kaum noch, nachdem es einen angeblich geplanten Anschlag der islamischen Gruppe „Ansar al-Islam“ (Unterstützer des Islams) zu melden gab.
Im Polizeiapparat hatte man die Terrormeldung nicht allzu ernst genommen. Denn es stellte sich heraus, dass das Bundeswehrkrankenhaus eigentlich kein „anschlagsrelevantes Ziel“ ist, da dort keine US-Soldaten behandelt werden. Zudem könnte es sein, dass die CIA-Agenten womöglich Hamburg mit Homburg im Saarland verwechselt haben. Dort werden in der Klinik tatsächlich gelegentlich verletzte US-Soldaten behandelt – liegt sie doch nicht weit vom US-Militärkrankenhaus in Landstuhl. „Wir bekommen dauernd derartige Hinweise“, sagte denn auch ein Sicherheitsexperte der Hamburger Polizei zur taz. „Entweder wir schicken den Bürgernahen Beamten dorthin oder das ganze Equipment.“ Diesmal entschied sich Nockemann dafür, das gesamte polizeiliche Kontingent zu mobilisieren. Die Region wurde mit Panzerwagen weiträumig abgesperrt; Polizei und Feldjäger der Bundeswehr durchkämmten bisher ergebnislos das Gelände mit Spürhunden.
Während das Bundesamt für Verfassungsschutz schweigt, zeigte der Chef des Hamburger Verfassungschutzes, Heino Vahldieck (CDU), zumindest „Verständnis“ für die Aktionen Nockemanns. Allerdings lässt sein Stellvertreter Manfred Murck medial keine Möglichkeit aus, um zu betonen, dass es sich nur um „Hinweise und um keine Belege“ für einen Anschlagsplan gehandelt habe – obwohl zwei mutmaßliche Täter namentlich genannt worden seien.
Der Hamburger SPD-Innenexperte und Vorsitzende der „Parlamentarischen Kontrollkommission“ in der Bürgerschaft, Michael Neumann, hat für die kommende Woche eine Sondersitzung einberufen. Dort soll geklärt werden, ob Nockemann „die Maßnahmen zu Recht getroffen“ hat oder lediglich eine „schneidige Hand“ im Wahlkampf demonstrieren wollte.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Dieter Wiefelspütz hingegen wollte Nockemann nicht unterstellen, mit seiner Anti-Terror-Aktion Wahlkampf zu machen. Allerdings müsse sich der Innensenator fragen lassen, „warum er anders gehandelt hat als der Innenminister in Hessen oder der Polizeipräsident in Frankfurt“. Auch für den Rhein-Main-Flughafen hatte es eine Terrorwarnung gegeben.
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