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Archiv-Artikel

Rollstuhlfreie Zone

Obwohl das Land NRW zahlt, stoppt die Bahn den behindertengerechten Umbau des Essener S-Bahnhofs Süd. Dabei müssten eigentlich weitere Bahnhöfe für Rollstuhlfahrer umgebaut werden

von Miriam Bunjes

Ein Boden aus Bretter und ein wackeliges Holzgelände – am Baustellenlook des Essener S-Bahnhofs Süd hat sich seit dem Sommer nichts verändert. Eine Rampe soll die Deutsche Bahn AG hier bauen. Damit auch Menschen in Rollstühlen und mit Kinderwagen in die S6 nach Düsseldorf einsteigen können.

Eigentlich eine Kleinigkeit. „Das müsste schon lange gemacht sein“, regt sich deshalb Rolf Fliß von den Essener Grünen auf. Zumal die Bahn den Umbau noch nicht einmal selbst bezahlt: Das Land hat bereits im Jahr 2000 die 800.000 Euro bereitgestellt. Das sind hundert Prozent der Baukosten. Und „sieben Prozent der Planungskosten werden der Bahn ebenfalls ersetzt“, sagt Flick.

Gebaut wird offenbar trotzdem nicht mehr. Dafür wird beim Bahnhofsmanagement in Essen gemauert. Der angeblich einzige Zuständige ist verreist, und auch der Pressesprecher der Deutschen Bahn AG weiß von nichts. „Der Bahnhofsumbau wird vorläufig eingefroren“, sagt Rolf Fliß. „Weil selbst der Restbetrag der Bahn noch zu viel ist.“ Er sitzt für die Grünen im Essener Verkehrsausschuss und hat diese Aussage „mit eigenen Ohren gehört.“ Die Fraktion will sich gegen die Pläne wehren und erstmal „Rechtfertigungsdruck“ ausüben.

Das ist nicht das erste Mal, dass die Deutsche Bahn Bauaufträge einfach nicht ausführt. Ein Fahrstuhl sollte in Essen-Borbeck gebaut werden. Wieder übernahm das Land die Kosten, wieder passierte trotzdem nichts.

„Die Reisemöglichkeiten von Behinderten im Ruhrgebiet sind katastrophal“, sagt Burkhard Dedy vom Fahrgastverband Pro Bahn. „Eigentlich müsste die Bahn einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, um den Gleichstellungsgrundsatz zumindest ansatzweise zu erfüllen.“

Tatsächlich wäre der S-Bahnhof Essen Süd der einzige Behinderten gerechte Bahnhof auf der S6-Trasse zwischen Essen und Düsseldorf. Denn als die älteste S-Bahn-Linie des Ruhrgebiets gebaut wurde, interessierte sich noch niemand für die Probleme der behinderten Mitbürger. Sämtliche Bahnhöfe sind nur über Treppen erreichbar, und die Steige sind wesentlich höher als die S-Bahnen. „Mit einem Rollstuhl kommt man weder in den Zug hinein, geschweige denn wieder raus“, sagt Burhard Dedy.

Inzwischen ist ein barrierefreier Zugang Behinderter gesetzlich vorgeschrieben. Deshalb bezahlt auch in der Regel das Land den Umbau. Aber eben nicht für jeden kleinen Bahnhof.

Allerdings sind auch die großen Bahnhöfe nicht allzu freundlich zu ihren behinderten Besuchern. Einen einzigen Fahrstuhl bietet der Dortmunder Hauptbahnhof an. Wer auf einem anderen Gleis ankommt, hat eben Pech gehabt. Und in Essen müssen Behinderte vor Fahrtantritt einen Servicemitarbeiter anrufen, damit sie am Essener Hauptbahnhof den Lastenaufzug benutzen dürfen.