: Die verbotene Stadt in Köln
Kein Hinweis, kein Schild: Gut getarnt und vor neugierigen Fragern sicher hat auf dem Gelände der Konrad-Adenauer-Kaserne in Zollstock der Militärische Abschirmdienst (MAD) sein Hauptquartier
VON BENJAMIN TRIEBE
Köln ist die Geheimdienst-Hauptstadt der Republik. Im Norden residiert der Verfassungsschutz in einem siebenstöckigen Betonbau, im rechtsrheinischen Osten arbeitet das Zollkriminalamt. Und im Süden, in Zollstock, gut versteckt in einer kleinen Kaserne, liegt das Hauptquartier des militärischen Abschirmdienstes (MAD).
Zu sehen gibt es hier nichts – kein Schild am Tor, keine überdimensionalen Satellitenschüsseln auf den Dächern und nicht den geringsten Hinweis, dass hier etwas verborgen wird. Ein perfekter Schutz vor den Fragen von Spaziergängern und Anwohnern.
Mehr als 1.000 Soldaten und Zivilisten arbeiten in der Konrad-Adenauer-Kaserne im Stadtteil Zollstock für den MAD. Die Kaserne liegt am Rand eines Wohngebietes, gleich neben einem kleinen Park. Sie ist nicht zu übersehen, denn hier steht das Haus, das in Zollstock alles überragt: 14 Stockwerke dunkelgelbe Verwaltungsarchitektur, so hässlich, dass sie nur nach dem Krieg erbaut sein können. Eine Etage sieht aus wie die andere. Schlecht abgeschirmtes Neonlicht fällt durch die Fenster.
Kreiswehrersatzamt?
Seit Jahren zieht dieser Koloss die Blicke der Menschen in Zollstock auf sich – und gehört dennoch längst zum Alltag. „Das ist das Kreiswehrersatzamt“, sagt eine Frau in grauem Mantel, die im Park spazieren geht. „Da warst Du doch auch mal“, meint sie zu ihrem Sohn, der sie begleitet. Und sonst ist da nichts? „Nee, reine Verwaltung... Und eine Hundestaffel habe ich da mal gesehen.“ Der Sohn: „Da gibt es keine Hunde.“ Da wird Mutter ärgerlich, streitend gehen sie weiter. Der MAD bleibt unentdeckt.
Das Kreiswehrersatzamt liegt hinter dem Hochhaus, außerhalb der Kaserne und ist in einem schäbigen Kasten aus den Sechzigerjahren untergebracht. Ein pensionierter Offizier erinnert sich, dass es auch Wachhunde gab – zumindest bis vor ein paar Jahren. Inzwischen seien die Sicherheitsmaßnahmen elektronischer und schärfer geworden. Von außen sieht man das nicht.
Schweigsame Soldaten
Der MAD sammelt Informationen über extremistische Vorgänge innerhalb der Bundeswehr und durchleuchtet Soldaten, die an wichtigen Positionen eingesetzt werden sollen. Außerdem hilft er beim Entwurf der Sicherheitsmaßnahmen für Kasernen. In Köln haben die Geheimdienstler ganze Arbeit geleistet: Fast niemand weiß, dass es in der Konrad-Adenauer-Kaserne etwas Interessantes gibt. In den Stadtplänen steht „Heeresamt“, die Bushaltestelle vor der Kaserne heißt „Heeresamt“, und wer die Kaserne betritt, steht nach wenigen Metern vor einem unmissverständlichen Schild: „Willkommen im Heeresamt“. Kein Hinweis auf den Militärischen Abschirmdienst.
Natürlich gibt es das Heeresamt wirklich. Es hat nach eigenen Angaben rund 990 Mitarbeiter in Köln und kümmert sich um die Entwicklung und Rüstung des deutschen Heeres. Dieser große Verwaltungsapparat ist auch tatsächlich im Hochhaus der Kaserne untergebracht. Gegenüber der Presse ist man durchaus auskunftsfreudig – nur werden die Soldaten des Heeresamtes schnell schweigsam, wenn die Rede auf die vier kleineren Gebäude neben dem Hochhaus kommt.
Die haben nur fünf Stockwerke, sind braun angestrichen und stehen stramm in einer Reihe quer zum Hochhaus. Man könnte denken, sie wollten mit Absicht noch langweiliger aussehen als ihr großer Bruder. Auf dem Dach eines der Querbauten ist eine kleine Satellitenschüssel installiert.
In diesen unscheinbaren Gebäuden ist der MAD untergebracht, und er fühlt sich wohl im Schatten. Die Soldaten des Heeresamtes lenken alle Aufmerksamkeit von ihnen ab. Wenn ein Passant zufällig seinen Blick über das Gelände der Kaserne schweifen lässt, sieht er meist uniformierte Angehörige des Heeresamts. Es sind ihre Autos, die am Kasernentor die Parkplätze füllen. Es ist ihre Kantine auf der anderen Straßenseite, für die sie mittags die Kaserne verlassen und die Brühler Straße überqueren.
Das Heeresamt ist ein Schutzschild für den Militärischen Abschirmdienst. Ansonsten haben die Geheimdienstler mit den Verwaltungssoldaten wenig zu tun. „Wir sehen uns fast nie“, bekennt ein Mitarbeiter des Heeresamts. Die Mitarbeiter des MAD haben eigene Parkplätze nahe den Querbauten, wohin sich kein Blick von außen verirrt. Für die wichtigen Personen gibt es eine Tiefgarage. Meistens erscheinen die MAD-Mitarbeiter in Zivil und sind nur durch ihre Kettchen um den Hals zu erkennen.
An diesen kleinen Ketten hängt ihre Identität: die roten Chipkarten, die alle blauen Sicherheitstüren auf dem Kasernengelände öffnen – der Schlüssel zur verbotenen Stadt. Mitarbeiter des Heeresamts haben nur grüne Karten. Damit bekommen sie beim MAD nicht einmal eine Klotür auf.
Dabei ist das Heeresamt der eigentliche Hausherr. 1965 wurde der Komplex aus Hochhaus und Quergebäuden fertig gestellt und das über ganz Köln verteilte Heeresamt an einem Ort zusammengezogen. Doch dann kam der MAD von der Bonner Hardthöhe und richtete sich nebenan in Köln ein.
Nach der Wiedervereinigung wurde sogar überlegt, das Heeresamt aus Köln abzuziehen und auf die Hardthöhe zu versetzen. Doch es gibt das Gerücht, dass damals Staatssekretär Peter Wichert Einspruch erhob: Der MAD allein in einer Kaserne? Dann könnte ein Spion sicher sein, mit jedem Foto einen Mitarbeiter des MAD und mit jedem Anschlag garantiert den Geheimdienst zu treffen. Aus dem Umzug wurde nichts. Das Heeresamt blieb als Tarnung.
Raffiniert sind auch die anderen Sicherheitsmaßnahmen. Im Wachhäuschen der Konrad-Adenauer-Kaserne sitzt ein Obergefreiter und malt Strichmännchen. Wer die Kaserne besuchen möchte, muss dem Soldaten erklären, wen er treffen möchte. Dann gibt man den Personalausweis ab und erhält eine Besucherkarte. Reinkommen ist einfach. Nur das Rauskommen kann schwierig werden, wenn der angegebene Kontaktmann nicht auf der Karte unterschrieben hat.
Schwere Sicherheitstüren
Innerhalb der Kaserne kann sich der Gast frei bewegen – nur nützt das nichts. Durch die schweren Sicherheitstüren des MAD kommt er nicht durch. Und wenn der unbedarfte Besucher zufällig auf das „BAST-Gelände“ stolpert, sind alle Verschwörungstheorien sofort verflogen. Wer würde schon in der Nähe der ebenfalls ortsansässigen Bundesanstalt für Straßenbau große Geheimnisse vermuten.