: Musterung? Ohne uns!
Vier Schüler wollen sowohl den Kriegsdienst als auch den Zivildienst verweigern. Wer nicht spurt, den holt die Polizei. Gerne morgens noch vor der Schule – da kriegen es nicht so viele Leute mit
taz ■ Die mündlichen Abiprüfungen hat Jannes von Bestenbostel gerade hinter sich gebracht, jetzt wartet er auf die Polizei. Jeden Moment kann die Staatsmacht in der Waldorfschule an der Touler Straße auftauchen und den 19-Jährigen abholen, um ihn ins Kreiswehrersatzamt zu bringen. Denn freiwillig geht Jannes nicht zur Musterung.
Der Abiturient will sich weder messen noch wiegen lassen, will nicht darauf hoffen, dass er als untauglich ausgemustert wird. Seit zwei Jahren steht für den Kriegsgegner fest, dass er sich nicht in sein Schicksal fügen und auch den Zivildienst verweigern wird. Jannes geht es ums Prinzip. „Auch Zivis können an die Front gerufen werden“, sagt er. Zum Beispiel als Sanitäter.
Bundesweit verweigern nach Schätzungen jährlich 100 bis 200 junge Männer sowohl Kriegs- als auch Zivildienst. In Bremen machte zuletzt im Sommer 2001 ein sogenannter „Totalverweigerer“ Schlagzeilen. Der 24-Jährige hatte damals in der Kaserne den Befehl verweigert sich einzukleiden und wurde daraufhin 63 Tage in Disziplinararrest gesteckt.
Jannes weiß, was auf ihn zukommt, auch dass er im schlimmsten Fall mit einem Strafverfahren rechnen muss. Trotzdem will er die Sache durchziehen: „Das ist auch eine Chance sich selbst zu beweisen, dass man sich nicht unterkriegen lässt.“ Zusammen mit drei Freunden bereitet er sich derzeit auf den Trubel vor, der da kommen könnte. Gemeinsam fahren sie zu Totalverweiger-Treffen. „Da werden Tipps ausgetauscht, wie man sich im Arrest fit hält.“
Der 18-jährige Max Maurer hat noch Zeit, sich eine Strategie zu überlegen, während der 19-jährige Jörn Venne einen Antrag auf Zivildienst stellen wird. Sergej Cilin hingegen hat die unfreiwillige Musterung bereits hinter sich. Am Mittwochmorgen überraschte ihn die Polizei beim Zähneputzen. Pech, dass der 19-Jährige ausgerechnet in der Nacht bei seiner Mutter übernachtet hatte und nicht bei Freunden.
Von neun bis vierzehn Uhr wurde Sergej auf dem Kreiswehrersatzamt bearbeitet. „Ich habe mich gefühlt, als sollte ich hypnotisiert werden“, sagt Sergej. Mit einer Mischung aus Drohungen und Verständnis sei er in mehreren Gesprächen beinahe überredet worden, sein Vorhaben aufzugeben. „Irgendwann war ich völlig plemmplemm.“ Am Ende hat er sich „nach Augenschein“ mustern lassen müssen. Danach wurde er für tauglich befunden. Er könnte jetzt also einberufen werden.
Auch bei Jannes Eltern stand die Polizei schon zweimal auf der Matte, aber er war nicht da. Jetzt hofft er, dass die Polizei versucht, ihn in der Schule anzutreffen. „Das sieht öffentlichkeitsmäßig nicht so gut aus und es kriegen mehr Leute mit.“ Damit es jedoch noch dramatischer wirkt, will Jannes sich nach Möglichkeit in den Wagen tragen lassen.Eiken Bruhn
Öffentliche Treffen: 7. und 21. März um jeweils 14.30 Uhr vor dem Infoladen, St.-Pauli-Straße 10 - 12.