ANSCHLAGSGEFAHR: DIE DEUTSCHE UNBEKÜMMERTHEIT IST VORBEI
: Null Toleranz gegenüber Islamisten

Mit dem Antiterroreinsatz am Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg scheint die deutsche Unbekümmertheit gegenüber islamistischem Terror zu enden. Das hat sein Gutes. Denn bis in die jüngste Gegenwart haben die Bundesbürger mit naiver Gelassenheit auf die weltweite Herausforderung reagiert. Die vorherrschende Haltung war: Der Dschihad-Terrorismus ist kein Problem dieser Gesellschaft, sondern eine Herausforderung, der sich die anderen stellen müssen – Länder wie die USA, Tunesien, die Türkei oder Russland.

Woher die Gesellschaft ihren Optimismus bezogen hat, ist ein Rätsel. Denn seit Jahren agieren Radikalislamisten nicht nur im fernen Afghanistan, sondern auch an deutschen Universitäten, in Moscheen und Internetforen. Sie rufen zur Gewalt gegen Juden auf, schüchtern Glaubenskonkurrenten ein und schrecken auch vor Mord nicht zurück. Längst hat sich in deutschen Städten ein Milieu formiert, das in Fundamentalopposition zu all dem lebt, was dem Westen lieb ist. Und sie möchten es lieber heute denn morgen in Stücke hauen.

Es erstaunt, wie wenig die Bundesrepublik aus ihren leidvollen Erfahrungen mit rechtsradikalen Anschlägen und dem RAF-Terrorismus gelernt hat. Beide brauchten ein kulturelles Umfeld, das den Terror zwar nicht in allen Einzelheiten gutheißen musste, aber bereit war, seine Begründungen anzuerkennen. Im Falle des islamistischen Terrorismus kann das heute nur bedeuten: null Toleranz gegenüber islamistischen Scharfmachern und ihren Umfeldorganisationen, und eine offensive Auseinandersetzung mit all jenen, die dem Terror höhere Begründungsweihen verleihen wollen: mit dem Nahostkonflikt, der Globalisierung, dem Irakkrieg, der Dominanz des Westens.

Dies wird die Gefahr von Anschlägen zwar nicht gänzlich bannen, sie aber etwas unwahrscheinlicher machen. Gleichzeitig wäre diese rationale, politische Auseinandersetzung das beste Mittel gegen innenpolitische Hardliner, die wie der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach auf irrationalen Generalverdacht und Repression gegenüber Muslimen setzen möchten. EBERHARD SEIDEL