: Haftverschärfung für alle
Santa-Fu-Gefangener wehrt sich erfolgreich gegen Einzelhaft und Telefonier-Verbot. Gefängnis-Leitung reagiert nicht. Zunehmende Insassen-Proteste gegen Verschlechterung der Resozialisierungschancen. Häftlingsrevolte befürchtet
von GERNOT KNÖDLER
Ein Insasse des Gefängnisses Fuhlsbüttel hat sich beim Landgericht erfolgreich gegen Haftverschärfungen gewehrt, die nach wiederholten Gefangenen-Protesten Mitte Dezember verfügt worden waren. Das Gericht gab am 23. Dezember einem Antrag auf einstweilige Anordnung statt, nach dem die Einzelhaft und das Telefonier-Verbot hätten aufgehoben werden müssen. Wie die taz aus der Justizvollzugsanstalt erfuhr, hat die Gefängnisleitung darauf nicht reagiert. Ähnliche Anträge weiterer Gefangener liegen dem Gericht vor.
Die Insassen des Hauses II der Haftanstalt, Spitzname: Santa Fu, hatten an vier Tagen zu verabredeten Zeiten lautstark gegen die aus ihrer Sicht schlechter werdenden Haftbedingungen protestiert. Auf mehreren Etagen buhten die Häftlinge, sie skandierten Parolen und schlugen Gegenstände an die Gitter. „Von den Gefangenen wurde auf mitgebrachten Töpfen, Pfannen und Ähnlichem ein enormer Geräuschpegel erzeugt“, berichtete die Gefängnisleitung.
Am 17. Dezember waren die Proteste derart umfangreich geworden, dass sich die Vollzugsbeamten bedroht fühlten. Das Stampfen und Trampeln der Häftlinge setzte Überwachungskameras außer Gefecht. Die Anstaltsleitung erhielt Hinweise auf eine bevorstehende Revolte, wie sie dem Gericht gegenüber angab. Deshalb schloss sie die Gefangenen am 18. Dezember ein. Können sich die Häftlinge normalerweise tagsüber im Zellentrakt frei bewegen, sind sie seitdem 23 Stunden täglich eingesperrt. Das Telefonieren, das sonst unter Einschränkungen erlaubt ist, wurde ihnen verboten.
In der Begründung zu seiner Eilentscheidung verwies das Landgericht darauf, dass der Antragsteller in der Abschirm-Station von Santa Fu gefangen gehalten werde. Wer sich in dieser Sicherheitsstation befinde, könne keinen Kontakt zu den Gefangenen der anderen Stationen haben. „Eine Teilnahme an einer Protestaktion in der Art, wie sie stattgefunden haben, ist daher nicht denkbar“, so das Gericht. Da Auffälligkeiten innerhalb der Sicherheitsstation nicht bekannt seien, sei es unverhältnismäßig gewesen, auch dort die Haftbedingungen zu verschärfen.
Der Grund für die Proteste dürfte darin liegen, dass sich unter den Gefangenen in Fuhlsbüttel in der Vergangenheit der Eindruck breit gemacht hat, ihre Haftbedingungen würden immer weiter verschlechtert. In der Gefangenen-Zeitung Blickpunkt wird kritisiert, die rund 470 Insassen von Santa Fu erhielten weder Ausgang noch Urlaub. Anträge auf Überstellung in den offenen Vollzug seien aussichtslos, eine Vorbereitung auf das Leben in Freiheit sei somit schwierig. Es gebe Gefangene, die seit Jahren auf die Erstellung eines Vollzugsplanes warteten. „Rechte, die sich für einen Gefangenen aus dem Strafvollzugsgesetz ergeben, müssen von uns in aller Regel eingeklagt werden“, schreibt Häftling Thomas Paulick.
Zum 1. September schränkte Anstaltsleiter Andreas Behm die Möglichkeiten zu telefonieren ein. Häftlinge können neben einer Liste freigegebener Telefonnummern weitere 20 Nummern für sich beantragen. Drogendealern und organisierten Kriminellen kann das Telefonieren grundsätzlich verboten werden.
Justizsenator Roger Kusch (CDU) hatte kurz nach seinem Amtsantritt die Spritzentausch-Automaten abbauen lassen, mit denen verhindert werden soll dass Heroinsüchtige sich gegenseitig mit Aids oder Hepatitis anstecken. Ende Dezember lobte sich Kusch für die „konsequente Beendigung der Dauersubstitution drogenabhängiger Gefangener während der Haft“. 22.000 Euro pro Jahr seien auf diese Weise für therapeutische Behandlungen frei geworden.