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Archiv-Artikel

Herr Weinand sucht das Glück

Der Essener Fotograf Andreas Weinand kam über den Zeitraum eines Jahres immer wieder nach Bremen, um mit dem Blick von außen hanseatische Glückszustände festzuhalten. Die Ergebnisse sind nun in der Fotoausstellung „Bremer Glück“ zu sehen

Tragisch, aber wahr: Ein zentraler Aspekt des Glücks ist seine Vergänglichkeit. Der Philosoph und Hirnforscher Gerhard Roth beispielsweise sagt im Hinblick auf die Glücks-Chemie: „Das Gehirn stellt sich sehr schnell auf einen Glückszustand ein. Die Rezeptoren, die Andockstellen für diese Stoffe adaptieren ganz schnell und werden immer unempfindlicher. Das bewirkt, dass eine Situation, die uns kürzlich glücklich gemacht hat, in der selben Weise wiederholt uns gar nicht mehr so glücklich macht.“

Nicht zu erzwingen und schnell passé: Was Gerhard Roth aus neurochemischer Sicht über das Glück sagt, hat auch die Arbeit des Fotografen Andreas Weinand entscheidend geprägt. Der 45-jährige Essener ist im Auftrag der Arbeitnehmerkammer nach Bremen gekommen, um das Glück in Bremen zu fotografieren – mit dem „Blick von Außen“, so Weinand.

Angelegt war das Projekt auf neun einwöchige Bremen-Besuche, verteilt über knapp ein Jahr. Bei seiner Bremer Glückssuche habe sich Weinand analog zur Unberechenbarkeit des Glücks „intuitiv treiben lassen. Ich habe das Glück im Alltäglichen gesucht und nichts inszeniert.“ Die Ergebnisse werden derzeit in der Ausstellung „Die Welt vor der Tür – Bremer Glück“ im Foyer der Arbeitnehmerkammer in der Bürgerstraße präsentiert.

„Der Glückszustand“, das hat Weinand ähnlich dem Hirnforscher Roth bemerkt, „ist ein Oszillieren zwischen der Schönheit und der Lebensfreude einerseits und ihrer Vergänglichkeit andererseits.“ Künstlerisch stellte sich ihm bei der Glück-Fotografie das Problem, „dass die Bilder extrem schnell in den Kitsch abgleiten können“. Und gerade das wollte Weinand unbedingt vermeiden.

Was er auch geschafft hat: Weinands Bilder zeigen Bremer beim Picknick, beim Yoga im Park, beim Fischen, Rodeln und im Waschsalon. Dabei ist es das kleine Glück, das Weinand eingefangen hat; und festgehalten auf Fotopapier wird das kleine Glück ein bisschen größer – aber nie übermächtig. Außerdem hat sich Weinand jegliche Beschönigung bei der Auswahl seiner Motive gespart: Alle Generationen, alle Einkommensklassen, ein leichtes Übergewicht vielleicht für Freaks, Paradisvögel und Grillfeste.

Wie aber ist man nun in Bremen anders glücklich als beispielsweise – in Essen? „Man findet in Bremen die Liebe, den öffentlichen Lebensraum mit eigenen Ideen zu gestalten“, sagt Weinand. „Das gibt in der Addition ein sehr humorvolles Gefühl. Dieses Gefühl habe ich im Ruhrgebiet nicht. Und man merkt, dass es in Bremen eine Bürgergesellschaft ist. Im Ruhrgebiet geht es mehr um Einwohner.“ Weinand muss es wissen: Sein Langzeitprojekt „Die Welt vor der Tür“, in dem er das Zusammenleben verschiedener Ethnien dokumentiert, startete er im Ruhrgebiet. Das Projekt geht über mehrere Jahre, wie auch schon die Arbeit „Deutsche Volksfeste“ im Auftrag des Nachrichtenmagazins Stern oder die „Kolonien des Eigensinns“, ausgestellt in der Stiftung Bauhaus in Dessau.

Weinand plant, die Arbeit über das Bremer Glück fortzusetzen – als Baustein der Buchproduktion „Die Welt vor der Tür“ und womöglich auch, weil er festgestellt hat: „Bremen hat eine sehr beglückende Lebenskultur.“ Das ist fein. Dumm nur, dass auch die Beglückung durch Bremen zwangsläufig, unausweichlich, neurochemisch belegt – vergänglich ist. Klaus Irler

bis zum 31. Januar im Foyer der Arbeitnehmerkammer. Geöffnet während der Geschäftszeiten