: Hochrangiger Führer der Farc gefasst
Mit Simón Trinidad stellt die Geheimpolizei in Ecuador ein Mitglied der Kommandoebene der kolumbianischen Rebellen. Gegen den nach Kolumbien ausgelieferten Harvard-Absolventen hat die Staatsanwaltschaft 59 Anklagepunkte auf ihrer Liste
AUS BUENOS AIRES INGO MALCHER
Über das Wie sind schon Legenden im Umlauf. Die eine lautet, Simón Trinidad soll in einem Krankenhaus in Ecuador, nahe der Grenze zu Kolumbien, von der Geheimpolizei festgenommen worden sein. Die andere: Der Mann, der mit bürgerlichem Namen Ricardo Ovidio Palmera Pineda heißt, sei der Polizei eher zufällig bei einer gewöhnlichen Personenkontrolle in Ecuadors Hauptstadt Quito in die Arme gelaufen. Sicher ist nur: Zum ersten Mal ist ein Mitglied der Kommandoebene der kolumbianischen Farc-Guerilla verhaftet worden.
Damit ist den Behörden ein empfindlicher Schlag gegen Kolumbiens stärkste Guerilla gelungen. Noch am Samstag wurde Trinidad von Ecuador an Kolumbien ausgeliefert und sitzt seither in einem Militärstützpunkt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschat hat gegen ihn 59 Anklagepunkte gesammelt. Unter anderem wirft sie ihm Mittäterschaft an dem Massaker in Bojaya im Jahre 2001, nahe der Grenze zu Panama, vor, bei dem 119 Menschen ums Leben kamen.
Trinidad war ein wichtiger Stratege der Farc, seit 17 Jahren gehört er der Guerilla an. „Der Bourgois der Farc“ wurde er auch genannt, da er aus einer wohlhabenden Familie stammt. Als Jugendlicher, so berichten Schulkameraden, sei er unpolitisch gewesen, er machte Abitur an einer Schweizer Schule, studierte in Bogotá Wirtschaftswissenschaften und absolvierte in Harvard einen Aufbaustudiengang.
Später lehrte er Ökonomie an der Universität in Bogotá und brachte es zum Filialleiter einer Bank – eine ganz gewöhnliche Oberschichtkarriere. Doch: „In den Untergrund zu gehen ist eine sehr schwierige Entscheidung, weil man sogar die eigenen Kinder zurücklassen muss, aber die eigene Würde ist wichtiger“, sagte er einmal. Innerhalb der Farc war er zuletzt verantwortlich für die Aktionen der Guerilla an der Karibikküste.
Seinen Aliasnamen Simón Trinidad hat er sich von dem Befreierhelden Simón José Antonio de la Santísima Trinidad Bolívar ausgeliehen. Bevor er in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito in den Hubschrauber stieg, der ihn nach Kolumbien ausliefern sollte, rief er: „Es lebe der Kampf des Befreiers Simón Bolívar.“
Innerhalb der Farc gehörte Trinidad zwar zum harten Flügel, er gestand aber auch eigene Irrtümer ein. So nannte er die Entführung und Ermordung der damaligen Kulturministerin Consuelo Araújonguera im September 2001 einen Fehler. Als Sprecher der Farc nahm Trinidad an den 1999 eingeleiteten Friedensgesprächen zwischen Rebellen und Regierung teil. So wurde er zum Gesicht der Farc, das vor laufenden Fernsehkameras regelmäßig Erklärungen der Rebellen vorlas. Trinidad war es auch, der am Rande der Friedensgespräche sagte, die Farc wolle weiterhin „die Macht“.
Im Jahr 2002 erklärte der damalige Präsident Andrés Pastrana die Gespräche zwischen der Farc und seiner Regierung für beende. Er gab dem Militär den Befehl, die von den Streitkräften geräumte Guerillazone im Zentrum des Landes zurückzuerobern. Auf die Ergreifung Trinidads hatte die kolumbianische Regierung eine Kopfprämie von mehreren Millionen US-Dollar ausgesetzt. Agenten des Geheimdienstes verfolgten schon seit einiger Zeit seine Spuren, sie hatten Wind davon bekommen, dass er sehr krank sei. Kürzlich nahmen sie in einem Krebszentrum in Bogotá einem Mann fest, der ihm sehr ähnlich sah.
So hatte es Trinidad ins Nachbarland Ecuador vermutlich wegen seiner schwachen Gesundheit verschlagen. Wie es aus Kreisen der ecuadorianischen Sicherheitskräfte hieß, habe sich der Guerillero in Ecuador behandeln lassen. Wenn auch die genauen Umstände der Festnahme noch im Dunkeln sind, so sickerte durch, dass es sich bei der Festnahme um eine von kolumbianischen und ecuadorianischen Behörden geplante Aktion gehandelt haben soll. Wie die in Bogotá erscheinende Tageszeitung El Tiempo berichtete, soll diese Aktion auch vom US-Geheimdienst unterstützt worden sein.