: Boxen in der Mini-Liga
Die Hertha, die nicht Fußball spielt (Teil 1): Nur drei Teams haben in dieser Saison den Etat für die Boxbundesliga aufgebracht. Eins davon ist Hertha BSC Berlin. Für den Hauptverein ist der ungeliebte Auftritt der Amateure im Ring ein Zuschussgeschäft
von ANDREAS RÜTTENAUER
Wenn sich Männer gegenseitig mit den Fäusten bearbeiten, mit dem Ziel, den jeweils anderen möglichst niederzuschlagen, versammelt sich eine ganz eigentümliche Gemeinde. Anekdoten über Typen in den ersten Sitzreihen direkt am Boxring gibt es zuhauf. Vor allem Profiboxveranstaltungen leiden bis heute unter dem Ruf, nicht gerade die besten Menschen anzuziehen. Nicht nur durch Art und Qualität der Kämpfe erhält eine Boxveranstaltung ihren spezifischen Charakter, vor allem die Zusammensetzung des Publikums sorgt für eine ganz eigentümliche Atmosphäre. Wenn die Kämpfer des Boxrings Hertha BSC in der Box-Bundesliga antreten, ist das nicht anders.
Auch Amateurboxveranstaltungen sind Messen, in denen das Hohelied des Machomannes gesungen wird. Junge Männer schieben im Kraftprotzgang ihre Luxuskörper durch die Halle. Begrüßen sie sich, wird ein Fastschlag angedeutet, bevor man sich die Hände reicht. Auch die lederbewesteten, ganz alten Boxfans, von denen es in Spandau, wo Hertha seine Heimkämpfe austrägt, nur so zu wimmeln scheint, lassen beim Gehen ihre Arme so mitschwingen, als müssten sie in Lucky-Luke-Manier ihren Colt ziehen. Goldkettchen gibt es zu bestaunen und den bodenlangen Ledermantel des Stargasts des Abends, Ottke-Trainer Ulli Wegner.
Sogar eine Delegation der Spaßgesellschaft hat sich nach Spandau aufgemacht. Eine Kleingruppe von jungen Leuten schien einfach alles an diesem Abend lustig zu finden. Ihre Wuschelfrisuren, ihren Gammellook und vor allem ein dottergelbes 70er-Jahre-Oberhemd vermutet man eher in einer Bar in der Kastanienallee als in einer Sporthalle in der Neuendorfer Straße in Spandau.
Die Halle ist eines der großen Sorgenkinder von Rainer Zachmann, dem Abteilungsleiter Boxen bei Hertha. Die alte, eine wenig verstaubt wirkende Sportstätte, die inmitten eines kleinen Industriegeländes erst auf den zweiten oder dritten Blick auszumachen ist, ist alles andere als ein Schmuckstück. Deshalb ist Zachmann fast ein wenig froh darüber, dass der Chef des Hauptvereins, Bernd Schiphorst, noch nie zu den Hertha-Boxern gekommen ist. „Der wäre, glaube ich, entsetzt.“
Das könnten die Hertha-Boxer nun gar nicht gebrauchen, denn sie sind angewiesen auf die Unterstützung des Muttervereins, der etwa die Hälfte des Bundesliga-Etats von 100.000 Euro trägt. Boxen ist für Hertha ein Zuschussgeschäft, ungeliebt beim Hauptverein, aber, so Zachmann, nicht gefährdet. Der rührige Abteilungsleiter, der nach dem Kampf jede Quittung, ob für die Ringrichter, die Zeitnehmer oder Kämpfer, höchstpersönlich ausstellt, meint, dass der Amateurboxsport in Berlin aussterben würde ohne Bundesligastaffel. Dem Nachwuchs würde dann jede Perspektive fehlen, er hätte keine Möglichkeit mehr, sich regelmäßig auf hohem Niveau mit gleichwertigen Gegnern zu messen. Sprücheklopfer aus der Profiszene, die 15-Jährigen Weltmeistertitel versprechen, hätten dann noch mehr Zulauf.
Dabei ist Zachmann überzeugt davon, dass sich im Profibereich nur durchsetzen kann, wer eine passable Ausbildung bei den Amateuren genossen hat. Und genau die wird in den Amateurvereinen angeboten. Diese schicken dann ihre besten Kämpfer in die Staffel, die unter dem Namen Boxring Hertha BSC Berlin quasi als Stadtauswahl in der Bundesliga kämpft.
Am Samstag war die Riege des BC Velbert zu Gast in Berlin, einer der drei Vereine, die außer Hertha in diesem Jahr imstande waren, den Etat für eine Bundesligastaffel aufzubringen. Auch wenn man im Verband über die Mini-Liga nicht unbedingt glücklich ist, so garantiert sie doch ein hohes Niveau. In den Staffeln kämpfen nur noch gute Boxer, und so war auch die Auseinandersetzung vom Wochenende sehr ausgeglichen. Der 14:12-Sieg der Berliner war dann auch reichlich knapp.
Das Publikum war zufrieden. Denn neben guten Amateurkämpfen bekam es noch eine beinahe miese Schlägerei auf Profiniveau geboten. Der Schwergewichtskampf zwischen dem deutschen Meister Vitali Boot und dem Olympiadritten Sebastian Köber war alles andere als schön. Aber genau das kommt an bei der Spandauer Boxgemeinde, die nach Kampfende zufrieden aus der Halle tänzelte.