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Archiv-Artikel

Suche nach Führungspferd

Vor dem heutigen Abschluss der Vierschanzentournee wehrt sich Bundestrainer Wolfgang Steiert gegen Kritik, verweist auf gute Team-Resultate, beklagt aber auch das Fehlen eines Siegspringers

AUS BISCHOFSHOFENKATHRIN ZEILMANN

Solche Tourneetage gehen auch an Wolfgang Steiert nicht spurlos vorüber. Seine Stimme ist ein wenig heiser, ab und zu hustet er. Er trinkt einen Schluck Multivitaminsaft, bevor er zu sprechen anfängt. „Man sollte meiner Meinung nach aufpassen.“ Der Cheftrainer der deutschen Skispringer hat nämlich „eine negative Grundstimmung“ in der Öffentlichkeit ausgemacht. Die Platzierungen, die seine Schützlinge in bisher drei Konkurrenzen der Vierschanzentournee erreicht hätten, seien „Weltklasse“, auch wenn ein Einzelsieg noch fehle und zuletzt beim dritten Springen der Serie in Innsbruck Rang neun von Sven Hannawald das beste Resultat aus deutscher Sicht war. Georg Späth liege vor dem heutigen Abschlussspringen in Bischofshofen immer noch aussichtsreich auf Platz sechs der Gesamtwertung, Michael Uhrmann sei Achter, Hannawald Neunter.

Steiert findet, dass dieses Mannschaftsergebnis in der Öffentlichkeit nichts zähle, sondern nur auf die schwächelnden Stars Hannawald und Martin Schmitt geschaut werde. „Wenn ich im Frühjahr gesagt hätte, Georg Späth und Michael Uhrmann können regelmäßig unter die Top Ten springen, hätte es geheißen, der Trainer hebt jetzt ab“, verweist Steiert an diesem verschneiten Morgen im Salzburger Land noch einmal auf die Erfolge der vermeintlichen zweiten Garde. Man habe doch gefälligst zu akzeptieren, dass Späth, Uhrmann und auch der junge Maximilian Mechler so gut mithalten könnten.

Aber dann muss der ehrgeizige Trainer doch erkennen: „Das Führungspferd fehlt.“ Es mangele an einer sportlichen Leitfigur im Team. Problem erfasst, doch keine Lösung parat. Hannawald als neues und altes Führungspferd? „Was bei ihm zu Beginn der Tournee in Oberstdorf abgelaufen ist, kann niemand so einfach wegstecken“, sagt Steiert. Zwei verpatzte Trainingssprünge, kein Gefühl für die Schanze und ein schlechter Wettkampf ließen den Tournee-Favoriten aus Hinterzarten bereits auf der ersten Station straucheln und ins Grübeln geraten. Und Späth und Uhrmann könnten erst zu Leitfiguren reifen, wenn sie „zwei-, dreimal ganz oben stehen könnten“. Martin Schmitt sei zwar Mannschaftskapitän, doch an der Schanze tauge der mit seinen eigenen Fehlern und Problemen beschäftigte Vierfachweltmeister nun mal derzeit nicht als Vorflieger.

So ist das deutsche Team momentan ein gutes Kollektiv, aber herausragende Einzelakteure fehlen. Und weil Skispringen zuallererst Individualsport ist und nur gelegentlich – bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen – das Team als solches eine Auszeichnung erlangen kann, wird diese 52. Vierschanzentournee wohl nicht als durchschlagender Erfolg für den Deutschen Skiverband (DSV) registriert werden können, wenn in Bischofshofen zum Abschluss nicht doch noch ein sehr gutes Ergebnis erreicht wird.

„Ich muss mit dieser Situation fertig werden, so wie sie jetzt ist“, sagt Steiert und irgendwie meint man, er erwartet jetzt Mitleid. „Mir wäre ein Sieg auch am liebsten“, ergänzt er, um aber auch gleich wieder zu betonen: „Das neue Reglement hat das gesamte Feld durcheinander gewirbelt.“ Auch beispielsweise der finnische Vorzeigespringer Janne Ahonen hätte Materialprobleme gehabt, weil die Anzüge viel enger geworden seien.

Steiert trinkt noch einmal vom Multivitaminsaft, dann erzählt er von den Aufgaben, denen er sich in nächster Zeit annehmen wird: „Späth, Uhrmann und Mechler stabilisieren, Hannawald wieder ganz nach vorne führen und Schmitt an die besten zehn ranführen.“ Die Tournee dieses Winters, die wohl aller Voraussicht nach der Norweger Sigurd Pettersen für sich entscheiden wird, scheint schon am Tag vor dem Finale für Steiert abgeschlossen. Sein erstes Großereignis als Cheftrainer hat ihn dann doch vor mehr Hürden gestellt als erwartet.