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Archiv-Artikel

Folter als Verhörmethode?

„Wenn Sie jetzt nicht reden, dann werden wir Ihnen große Schmerzen zufügen.“ Diese Drohung des Frankfurter Vizepolizeipräsidenten Wolfgang Daschner beim Verhör des Mörders von Jakob von Metzler (11) hat eine große Diskussion über Folter als Verhörmethode ausgelöst – auch unter den taz-LeserInnen. Die taz veröffentlicht auf einer Sonderseite die wichtigsten Beiträge

Hochachtung habe ich für den Mut der Polizeiführung, zu publizieren, dass es um Anwendung von physischer Gewalt und daher um Folter geht. Allem Anschein nach haben Aussagen aus hochrangigen Justizkreisen bei den Verantwortlichen der Polizei den Eindruck erweckt, dass hier noch rechtliche Fragen zu klären bzw. Handlungsspielräume vorhanden seien.

Verständnis habe ich noch für Politiker und Menschen, die diese Frage anhand des Einzelfalles aufgreifen, ohne die Tragweite der Diskussion zu erkennen.

Kein Verständnis habe ich für die, die sich von Berufs wegen mit diesen Grundsatzfragen beschäftigen. Wenn hier die Frage, ob Folter als Instrument zur Wahrheitsfindung erlaubt ist, nicht eindeutig mit „Nein, ohne Wenn und Aber“ beantwortet wird, ist das ein Skandal.

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds hat ausgeführt, Folter in Ausnahmefällen justizial kontrolliert zu akzeptieren, die Aussage dann relativiert, dass der justiziale Grundsatz zum Verzicht auf Folter bestehen muss, Ausnahmefälle – dann aber in der Verantwortung der Polizei – nicht ausgeschlossen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Verantwortliche Verfahrensanweisungen geben, sich aber zurückziehen, wenn es darum geht, die Auswirkungen zu tragen.

Der Deutsche Richterbund postuliert „die Rettung eines vergleichsweise höherrangigen Rechtsgutes“ (www.drb.de). Wer definiert das „höhere Rechtsgut“? Was ist das für eine Auffassung, ein Rechtsgut durch den Bruch eines anderen Rechtsgutes schützen zu wollen? Gerade wir Deutschen sollten aus unserer Vergangenheit die Lehre ziehen und diese Tür fest, sehr fest verschlossen halten.

WINFRIED METZGER, Berlin

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Ich betrachte es als gefährliche Paragrafenreiterei, wenn die Unverletzbarkeit des Täters, der gerade dabei ist, sein Opfer verrecken zu lassen, höher bewertet wird als das Leben des Opfers. Wenn jetzt, im Nachhinein, von Pazifisten im Elfenbeinturm gesagt wird, das elfjährige Opfer war sowieso schon tot, so zeigt dies eine wirklichkeitsfremde Selbstgerechtigkeit gegenüber jenen, die im absoluten Zugzwang waren – mit dem möglichen Straftatbestand von unterlassener Hilfeleistung gegenüber dem Opfer im Nacken.

Wenn ich irgendwann im dunklen Park sehen sollte, wie ein Mann eine Frau packt und hinter einen Busch zieht, und ich gerade eine neue Ersatzfahrradkette habe, werde ich auf Art. 2 GG (Recht auf Unversehrtheit) und den Standpunkt von amnesty international pfeifen und die Fahrradkette als handfestes Argument benutzen, um das Opfer vor dem Täter zu schützen.

KLAUS BUGGISCH, Karlsruhe

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Die Diskussion geht, soweit sie das Problem ausschließlich rechtlich behandelt, in die Irre. Die Frankfurter Polizeibeamten haben richtig gehandelt. Trotzdem finde ich, dass Folter und Androhung von Folter unbedingt verboten bleiben muss.

Es wird immer den Fall des gleichzeitig rechtskonformen und inhumanen Verhaltens geben, und es wird – zum Glück – andererseits Menschen geben, die sich in einer Konfliktsituation gegen die Vorschriften und für das menschlich Gebotene entscheiden. […] Es handelt sich um Ausnahmesituationen, die man tragisch nennen und die keine gesetzliche Regelung aus der Welt schaffen kann. Im Gegenteil: Schon heute werden Fälle exzessiver polizeilicher Gewalt zu selten geahndet. Ich kann mir vorstellen, wie künftig die Umstände zur Rechtfertigung von Übergriffen des Staates konstruiert würden, wenn Folter legalisiert wird, und was im „Anti-Terror-Kampf“ schon heute vielfach im Dunklen praktiziert wird, mit staatlicher Lizenz ausgestattet würde. HEINZ LIPPERT, Erkrath

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Die Bundesrepublik Deutschland hat die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Gesetz vom 7. 8. 1952 ratifiziert. Sie ist damit unveränderliches Recht geworden. Dazu gehört auch der Artikel 3: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ Daran ändern auch die Ereignisse des 11. September 2001 in New York oder etwa die Suche nach dem entführten Jungen Jakob von Metzler nichts. Es ist erschreckend, wenn der Richterbund-Vorsitzende Geert Mackenroth erklärt, es seien „Fälle vorstellbar, in denen auch Folter oder ihre Androhung erlaubt sein können“. Damit würde unsere Rechtsordnung in die Inhumanität abrutschen, und Unschuldige müssten künftig befürchten, zur Erpressung von falschen Geständnissen in deutschen Polizeikellern gefoltert zu werden. So wie es schon einmal war.

BARBARA HÜSING, Hamburg

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Wir verurteilen die Versuche von taz-MitarbeiterInnen, Folterungen als legitimes Vorgehen zu diskutieren. Die Rede von „gewissen Spielräumen für Vernehmungen“ ist widerwärtig und gefährlich. Nicht das so genannte „Wohlstandsparadies“ hat zur Gewissheit geführt, dass niemals gefoltert werden darf, sondern die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus. Geredet wird über Kindesentführungen, gemeint ist politische Folter, wie Geert Mackenroths Ausführungen zum 11. 9. zeigen.AStA der Universität Münster

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„Die Folterdebatte“ ist nicht nur nicht nötig, sondern überflüssig wie ein Kropf. Wohin soll sie führen? Verfassungsänderung, neue Gesetze, gute Folter wird erlaubt, schlechte bleibt verboten? Welche unserer Selbstgewissheiten sind fragwürdig? Dass Menschen- und Grundrechte gelten sollen – immer und grundsätzlich? Dass geltendes Recht eingehalten wird und das ganz besonders von Institutionen?

Der Frankfurter Polizeivize Daschner hat in einer Notsituation erstens entschieden, zweitens seinen Kopf für seine Entscheidung hingehalten. Mehr kann man nicht verlangen. Dazu hat er jede Menge Glück gehabt. Weder hat er der Androhung von Gewalt entsprechende Taten folgen lassen müssen, noch hat Markus G. sein Geständnis widerrufen. Weil es hier keinen sauberen Ausweg gab, sollten wir uns vor Debatten hüten, ob ein bisschen Folter, ein bisschen Unrecht und etwas weniger Rechtsstaatlichkeit nicht doch hier und da mal angesagt wären. Ein Gericht sollte überprüfen, ob im außergesetzlichen Notstand gehandelt wurde, und die entsprechenden Konsequenzen ziehen. HANNEGRET BAUSS,

Freiburg

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Ja, wo sind wir denn? Ein Mensch entführt aus Habsucht ein argloses, ihm vertrauendes elfjähriges Kind. Die Vernehmer, in der Hoffnung, das Kind noch retten zu können, bauen einen Bluff auf, bei dem mit einem – in Wirklichkeit nicht existierenden – Folterspezialisten gedroht wird. Bei dem bedrohten Täter handelt es sich nicht um einen grenzdebilen Analphabeten, der die Rechtslage nicht kennen kann, sondern um einen Jurastudenten unmittelbar vor dem Examen, der wissen sollte, was rechtens ist und was nicht. Nun fühlen sich plötzlich viele Leute aufgerufen, diesen Täter […] zu verteidigen, weil er ja mit Folter bedroht worden sei, was diese Leute offensichtlich mit Folter gleichsetzen. Außerdem glauben sie, dass damit schon der erste Schritt zur Legalisierung der Folter in Deutschland vollzogen sei. Davon kann doch keine Rede sein, niemand denkt ernsthaft an eine solche Änderung der Rechtsordnung.

Bei diesem Sturm im Wasserglas drängt sich mir die Frage auf, ob an der Volksmeinung, Täter seien bei uns viel besser geschützt und umsorgt als Opfer, vielleicht was dran ist. Was wäre gewesen, wenn der Junge durch den Bluff gerettet worden wäre? Wäre dann die Empörung genauso lautstark? Oder ist es der Misserfolg, der sie anfacht? Bitte, mich nicht darüber zu belehren, dass auch ein Mörder Anspruch auf Schutz durch den Rechtsstaat hat […]. Die wirklich verabscheuungswürdige Tat ist der Kindsmord, nicht die Folterdrohung.

CHRISTIANE RATTINGER,

Offenburg

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Das Problem mit den folternden Polizisten, die jetzt Chancen haben, dass ihr unrechtmäßiges Treiben im Nachhinein sanktioniert wird, zeigt einmal mehr eine Pervertierung der Gesellschaft auf: Es zählt nur der Erfolg – in diesem Fall das Auffinden des Versteckes eines Opfers.

Es gibt kein „gutes Verbrechen“ – auch nicht durch Polizisten ausgeführt. Was wäre passiert, wenn sich die Ermittlungsgehilfen der Staatsanwaltschaft gesetzeskonform verhalten hätten? Eben ein nur teilweise aufgeklärtes Verbrechen. Es wäre nicht das erste. So etwas dulden durch Krimis aufgeklärte und die teilweise rüden Methoden der SchauspielerInnen bewundernden Zuschauer keinesfalls. Bei so was muss „ordentlich zugepackt werden“. Sehr geehrter Herr Schwarz: Sie machen sich zum Mithelfer bei einem Abbau der Rechte. Besonders durch die Gleichstellung mit Folterungen der israelischen Staatsgewalt.

W. MOLINARI, Kiefersfelden

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Beneidenswert – die Leserbriefschreiber, die so ganz sicher wissen, was richtig ist. Selbstverständlich ist es richtig, dass Folter/Gewalt und deren Androhung verboten sind. Ich finde es unstrittig, dass die Gesetze so sind und sein sollen. Ich finde allerdings nicht, dass im Zweifel („Niemals! Unter keinen Umständen!“) eher der Junge sterben soll als dass dem Täter Gewalt angedroht werden darf. Hoffentlich hat der angeklagte Jurastudent aus „gutem Hause“ (wäre die Diskussion auch dann so vehment, wenn es sich um einen anderen Angeklagen handelte?) nicht ein Trauma ob Androhung erlitten und muss nun ganz entlassen werden. Ich möchte an jemanden erinnern, dem Folter nicht nur angedroht wurde, sondern der sie erleiden musste. Bis zum Tod. Jakob von Metzler. MARION REMMEL,Frankfurt am Main

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Kindesentführung und -mord ist abscheulich, hieran gibt es nichts zu deuteln. Der taz-Autorin Monika Goetsch ist jedoch zu widersprechen, wenn sie den Vorgang in die Kategorie „moralisch nachvollziehbarer Ausnahmefall“ einordnet. Mit den Folterdrohungen in Frankfurt werden der Folter in Deutschland Tür und Tor geöffnet. Vielleicht ist es künftig „moralisch nachvollziehbar“, Drogenverstecke unter Folter zu erpressen?

Wie groß war in der BRD die Empörung über das Verhalten der USA, als sie Afghanen auf Guantánamo einkerkerte; aber mit welcher Nonchalance nun die Folterdrohungen abgetan werden, welche die Polizei in Frankfurt am Main offen eingestand, erschreckt. Offenbar hat der 11. September die Maßstäbe nachhaltig verschoben.

THOMAS MEYER-FALK,

z. Zt. JVA Bruchsal

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So so, Herr Schwarz hat ein neues Abenteuer für die gelangweilte Sofa-Erlebnisgesellschaft gefunden: den Kick des legitimierten Quälens von Menschen im Interesse von „Höherem“.

Im Interesse von Menschen- und Bürgerrechten sind dem staatlichen und kollektiven Handeln in manchen Hochzivilisationen des „alten Europas“ ehedem Grenzen gesetzt worden. Das macht das Leben natürlich langweilig und behäbig. Die Amis wissen da schon eher, wie man den Alltag aufregend gestaltet und hin und wieder einen „Abenteuer“-Urlaub organisiert: ein Krieg hier, ein Krieg da und zu Hause immer wieder zu Brei geschlagene Opfer von Polizeikontrollen. Cool!

Am Denkverbot der Folter für Ermittlungsbehörden zu rütteln, wird sich ganz schnell rächen. Eine Sehnsucht nach „kurzem Prozess“ und hemmungsloser Gewaltanwendung gehört ohnehin zum Alltagsempfinden von Angehörigen der Exekutivorgane. Welche Effektivitätssteigerung des eigenen Selbstwirksamkeitsempfindens ließe sich erreichen, wenn die eigene Arbeit nicht mehr durch ethische und bürgerrechtliche Grundsätze behindert würde? Die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln bei des Drogenhandels Verdächtigten ist ein konkretes Beispiel für eine solche Entwicklung. Am Anfang geht es gegen moderne „Untermenschen“-Ikonen wie Kindesentführer und Kinderschänder. Dann werden immer mehr Bürger zu „Kinderschändern“ erklärt! Aber es geht ja nur um das Schicksal von „Kriminellen“!

Ich finde es grässlich, ein Kind in so eine Situation zu verwickeln. Weil einem jungen Mann die Maßstäbe für mitmenschliches Handeln abhanden gekommen sind, sollte ihm nicht eine ganze Gesellschaft folgen.

WOLFGANG WAGNER, Boitze

Die Redaktion behält sich das Kürzen von Briefen vor. Die veröffentlichten LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.