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Archiv-Artikel

DVD-Hacker bezwingt Hollywood

Staatsanwaltschaft verzichtet auf Revision gegen Norweger Jon Lech Johansen: Er darf seine DVDs für private Zwecke knacken und kopieren. US-Filmindustrie gescheitert

STOCKHOLM taz ■ Der Versuch der Filmindustrie, das Knacken des Verschlüsselungs-Codes von DVD-Scheiben zu kriminalisieren und schadensersatzpflichtig zu machen, ist endgültig gescheitert. Gestern teilte die Staatsanwaltschaft in Oslo überraschend mit, keine Revision gegen den Freispruch des 20-jährigen Computerhackers Jon Lech Johansen einlegen zu wollen. Kurz vor Weihnachten war er in zweiter Instanz von einem Gericht in der norwegischen Hauptstadt vom Vorwurf, „sich ungesetzlich Zugang zu Daten verschafft und damit der Filmindustrie schweren Schaden beigebracht zu haben“, freigesprochen worden.

Amtsgericht wie Landgericht hatten das Kopieren und Lagern von DVD-Filmen auf einem privaten Computer als legal eingestuft. Offenbar zweifelt die Staatsanwaltschaft am Erfolg weiterer Versuche, Haft- und Geldstrafen gegen Johansen durchzusetzen: Sie verzichtete nun auf eine Klärung vor dem Obersten Gericht.

Vor mehr als vier Jahren hatte der damals erst 15-jährige Johansen mit einem selbst geschriebenen kleinen Programm das Verschlüsselungssystem geknackt, mit welchem die Filmindustrie verhindern wollte, dass DVD-Scheiben woanders als nur in der jeweiligen Zone, in welcher sie gekauft worden waren, und auf den mit Lizenzgebühren belegten speziellen DVD-Geräten abgespielt werden konnten. Sein „DeCSS-Programm“ brachte die DVDs auch auf dem Linux-Rechner von Johansen zum Laufen. Und hatte darüber hinaus den Nebeneffekt, nicht nur auf Rechnern mit Windows- und Mac-Operativsystemen zu laufen, sondern damit auch den eingebauten Kopierschutz ausschalten zu können. In seiner zahlreichen Fangemeinde wurde Johansen als „DVD-Jon“ zum Begriff.

Die Filmindustrie setzte die norwegische Justiz auf die Fährte des Schülers und im Januar 2000 schlug die Polizei mit einer Hausdurchsuchung zu. Vorwurf: Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz. Jon sah das ganz anders: „Das ist nichts weiter als Verbraucherschutz. Hier geht es nicht um ungesetzliches Kopieren, sondern um eine Abwägung zwischen Konsumenteninteresse und dem wirtschaftlichen Interesse der Filmbranche.“ Die Filmwirtschaft wolle sich das gesamte Marktsegment von den DVD-Scheiben bis zu den Abspielgeräten unter den Nagel reißen. Er habe nichts anderes getan, als die Möglichkeit zu schaffen, DVD-Filme ohne Kontrolle der Filmindustrie abzuspielen: „Das ist technische Weiterentwicklung vorhandener Software und sonst nichts.“

Vier Jahre lang lebte Jon, der sich mittlerweile zum Programmierer ausgebildet hat, unter der Drohung einer Haftstrafe von zwei Jahren und der Verurteilung zu ruinösen Schadensersatzzahlungen. Eine weltweite Solidaritätsbewegung unterstützte ihn alle Jahre hindurch. Mit einem „Ich bin glücklich, aber nicht überrascht“ kommentierte er nun seinen Sieg gegen die Film-Goliaths.

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