Steuern vereinfachen, nicht senken

SPD und Grüne erteilen den CDU/CSU-Vorschlägen für eine weitere Verringerung der Staatseinnahmen eine klare Absage. Verhandeln wollen sie allenfalls über eine „finanzierbare“ Vereinfachung des Steuerrechts. An Konzepten wird noch gearbeitet

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Wer nach der kleinen Entlastung durch die vorgezogene Steuereform auf einen weiteren Geldsegen vom Staat hofft, wurde gestern enttäuscht. An ihrem ersten echten Arbeitstag nach Weihnachten erteilten führende Politiker von SPD und Grünen den diversen Vorschlägen aus der Union für eine große Steuerreform eine klare Absage.

Eine deutliche Steuersenkung komme in absehbarer Zeit nicht in Frage, erklärten die rot-grünen Koalitionäre übereinstimmend. Denkbar – und durchaus wünschenswert – sei allenfalls eine Vereinfachung des komplizierten deutschen Steuersystems. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer kündigte an, seine Partei werde noch im ersten Halbjahr ein eigenes Konzept für eine „faire und finanzierbare Steuervereinfachung“ präsentieren. Genauere Details, was man sich darunter vorzustellen habe, ließ sich Bütikofer nicht entlocken. „Da arbeiten die Experten noch dran“, sagte der Parteichef gestern.

Während sich CDU und CSU zwischen den Jahren eine unionsinterne Steuersenkungsdiskussion leisteten und dabei vor allem über die mögliche Höhe der angestrebten Entlastungen stritten, haben die Koalitonspolitiker die freie Zeit genutzt, um sich unterschiedlich originelle Begriffe auszudenken, mit denen sie die Ankündigungen der Union verspotten wollen.

Schimpfwort Nummer eins lieferte Olaf Scholz. „Das sind Luftschlösser“, sagte der SPD-Generalsekretär über die Unions-Ideen. Scholz verwies darauf, dass die Steuern zum 1. Januar gesenkt worden seien und zum 1. Januar 2005 eine weitere Steuersenkung anstehe. „Das Thema ist weitgehend bewältigt“, findet Scholz. „Was wir jetzt zu diskutieren haben, ist Steuervereinfachung.“ Die Vorschläge der Union mit Steuerentlastungen von 15 Milliarden (CSU) beziehungsweise 24 Milliarden Euro (CDU) bezeichnete Scholz als unseriös.

Unseriös? Das hält der stellvertrende SPD-Vorsitzende Kurt Beck noch für untertrieben. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident steigerte die Wortwahl und warf der Union bewusste Wählertäuschung vor. „Wer Illusionen nährt, eine Vereinfachung mit einer Entlastung verbinden zu können, ist ein Scharlatan“, so Beck. Bei so viel Hohn und Spott wollten die Grünen nicht hintanstehen. „Wolkenschieberei“ sei das, was die Union betreibe. Der Vorschlag der CSU sei zwar „zweieinhalb Wimpernschläge näher an der Realität“ als das Modell des CDU-Steuerexperten Friedrich Merz. Dennoch klaffe auch beim CSU-Vorschlag eine Finanzierungslücke.

Und überhaupt: Notwendig seien im „Jahr der Erneuerung“, das den Grünen für 2004 vorschwebt, Innovationen und erhöhte Investititionen zum Beispiel in Bildung, Wissenschaft oder Forschung. Gleichzeitig eine Innovationsdebatte zu führen und dem Staat die dafür nötigen Mittel zu streichen, „das geht nicht“, so Bütikofer. Sein Fazit: „Die so genannte Steuerreform von Herrn Merz wird es 2004 oder 2005 ebenso wenig geben wie die von Herrn Stoiber.“

Die Grünen-Steuerexpertin Christine Scheel hatte noch einen Begriff parat, um die Opposition zu karikieren. Deren Entlastungsversprechen seien „reines Blendwerk“, teilte Scheel mit. Weder der Bund noch die Länder könnten über die vereinbarten Steuererleichterungen hinaus auf Einnahmen verzichten.

Also keine Chance für die große Steuerreform? Anders als die Parteipolitiker von SPD und Grünen hält sich die Regierung ein Hintertürchen offen. Wie vorher schon Bundeskanzler Gerhard Schröder betonte auch Finanzminister Hans Eichel (SPD) „Gesprächsbereitschaft“. Voraussetzung sei aber, dass die Union ein geschlossenes Konzept vorlege.