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Archiv-Artikel

Chávez bleibt gelassen

Venezuela rechnet mit Ölpreis von 60 Dollar das Fass

BUENOS AIRES taz ■ „Solange der Ölpreis über 55 Dollar pro Barrel bleibt, hat die weltweite Finanzkrise keine Auswirkungen auf Venezuela“, sagte Hugo Chávez vergangene Woche in einer Radio- und Fernsehrede. In Venezuela ist Wahlkampf und Präsident Chávez stiftet Vertrauen. Die Regionalwahlen am 23. November gelten als Stimmungstest für seine Politik. „Ich versichere ihnen, dass wir im sozialen und wirtschaftlichen Bereich weiter wachsen werden“, fügte Chávez hinzu. Eine grundlegende Gefahr für seinen Sozialismus des 21. Jahrhunderts kann er nicht erkennen.

Tags zuvor kostete das Fass venezolanisches Erdöl knapp 63 Dollar. Damit ist der Preis in den letzten drei Monaten um 54 Dollar gefallen. Von seinem Spitzenwert im Juli ist er weit entfernt. Damals verkaufte das südamerikanische Ölland ein Fass Rohöl für sagenhafte 126 Dollar. In Venezuela kommt die Hälfte der staatlichen Einnahmen aus den Ölgeschäften. Nahezu der gesamte Export des Landes besteht aus Rohöl oder Ölprodukten.

Dennoch versichert Chávez immer wieder, dass Venezuela für die Auswirkungen der Krise gut gewappnet ist. Das Land habe finanzielle Reserven in Höhe von 80 Milliarden Dollar. Zudem verweist er darauf, dass nicht nur der Ölpreis international ins Rutschen gekommen sein, sondern fast die gesamte Rohstoffpreispalette. Darunter auch die Preise für Nahrungsmittel, ohne deren Importe das Land die eigene Bevölkerung schon lange nicht mehr ernähren könnte.

Zwar hatte Wirtschaftsminister Rodríguez Araque bereits vor dem tiefen Fall des Ölpreises Einsparungen für den Haushalt 2009 angekündigt, dennoch legte er Anfang der Woche einen Entwurf vor, der eine Erhöhung der Staatsausgaben von über 20 Prozent vorsieht. Die Achillesferse: Mehr als 45 Prozent der für 2009 veranschlagten Ausgaben sollen mit den Einnahmen aus dem Öl bezahlt werden. Die Planungsgrundlage ist, dass das Land nächstes Jahr täglich 3,66 Millionen Barrel Öl fördert und es nach den Zahlen einen Preis von mindestens 60 Dollar pro Fass erzielt. Für den laufenden Haushalt hatte der Wirtschaftsminister noch einen Ölpreis von 35 Dollar pro Fass veranschlagt. Nach eigenen Angaben fördert Venezuela gegenwärtig 3,4 Millionen Barrel pro Tag, laut Opec sind es jedoch lediglich 2,33 Millionen.

Vor den Regionalwahlen sind keine Ankündigungen über soziale Einschnitte zu erwarten. Was nach der Wahl passiert, weiß niemand. Präsident Chávez gibt sich optimistisch: „Wenn sich der Ölpreis erst mal wieder zwischen 80 und 90 Dollar stabilisiert hat, ist das mehr als ausreichend für das sozialistische Projekt.“

JÜRGEN VOGT