Alle gegen Ulrich Nölle

Waldau Theater: Verzweifelte Aktivitäten gegen den drohenden Konkurs / Bremens Kulturbehörde erklärt: ,,Nicht wir schließen das Theater.“

Keine Spur von Panik. An der Theaterkasse in Walle herrscht noch geschäftige Ruhe. Für alle im Jahresspielplan bis zum 28. Juni ausgedruckten Veranstaltungen würden weiterhin Eintrittskarten verkauft. „Sex? Aber mit Vergnügen“ – das ist allerdings nicht mehr zu haben. Die Premiere des Stücks von France Rame und Dario Fo wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Ansonsten sei nichts abgesagt worden, heißt es. Obwohl hinter den Kulissen des Waldau gar nichts mehr sicher scheint. Sogar Intendant Michael Derda ist jetzt bereit, einen nicht genannten Prozentsatz seines Gehaltes „freiwillig“ der Theatersanierung zu spenden. Empört sich doch die gesamte Belegschaft mit heiligem Zorn über einen möglichen Konkurs. Wie könne man nur das Waller Stadtteiltheater als Bremens einzige Bühne für Niederdeutsche Bühnenkunst und hochdeutschen Boulevard einfach so abwickeln wollen? Wo doch gerade zum 75-jährigen Bestehen ein Jubiläumsprogramm mit Theaterfestival zu planen wäre.

Zu Beginn dieses Jahres seien noch einmal 130.000 Euro als „Teilzuschuss“ für 2004 von Kultursenator Hartmut Perschaus Behörde überwiesen worden, berichtet Annette Ruppelt, Pressesprecherin der Bühne. Aber laut eines Bescheids vom 18. Dezember 2003 sei das Geld nur mit der Maßgabe ausbezahlt worden, allen 30 festangestellten Mitarbeitern zu kündigen und die Gastspielverträge der 60 Schauspieler zu lösen. Lediglich weitere 230.000 Euro (statt bisher 316.000) stehen noch im Haushaltsentwurf 2004, über den die Bürgerschaft im kommenden Sommer abstimmen wird. „Mehr Geld ist definitiv nicht zu erwarten“, stellt Perschaus Sprecher Helge Rehders klar. Die Waldau Theater GmbH sei ab sofort so zu betreiben, dass sie ohne öffentliche Zuschüsse auskomme. Das habe die Kulturdeputation beschlossen und der Senator müsse sich daran halten. Die Rettung des Theaters sei nicht mehr Teil der Kulturpolitik, so Rehders. Er betont: „Nicht wir schließen das Theater!“ Es schließe sich selbst aufgrund jahrelangen Missmanagements. Über die Höhe der Liquiditätslücke ist allseits nur betroffenes Schweigen zu hören.

Rehders betont aber auch eine Mitschuld der Politik. Schon vor drei Jahren habe die Kulturmanagement Bremen GmbH (kmb) in ihrem Waldau-Sanierungskonzept verlangt, die Liegenschaft zu verkaufen, die Gesellschafterstruktur und die Theaterleitung zu ändern. Das ist vom Senat nie abgesegnet worden.

In Walle wird man jetzt aktiv, um die Politik doch noch gnädig zu stimmen. Postkartenaktionen, Unterschriftenlisten, Protestschreiben. „Ohne öffentliche Gelder sind wir nicht sanierungsfähig, aber noch haben wir nicht Insolvenz beantragt“, gibt sich Ruppelt kämpferisch. Nachdem Missmanager Axel Schröder als Geschäftsführer abgesetzt wurde, ist nun der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Nölle (CDU) dran. Seine Partei-Seilschaften haben das Theater nicht retten können. Im Gegenteil. Unter der Oberaufsicht des Ex-Finanzsenators sei das Theater kaufmännisch an den Abgrund manövriert worden, so Ruppelt. Der Trägerverein forderte Nölle auf, sein Amt niederzulegen und auch nicht wieder zu kandidieren. Gestern wurde (nach Redaktionsschluss) ein neuer Aufsichtsrat mit neuem Vorsitzenden gewählt. Heute soll bereits Jens Walter, Prokurist bei der Bremer Theater GmbH, als neuer kaufmännischer Geschäftsführer berufen werden, heißt es. Daraufhin werde Derda als Geschäftsführer zurücktreten.

„Alles zu spät“, bedauert Rehders. Und wiederholt: „Die 400.000 Euro für 2004 werden die letzen Mittel sein, die die Waldau GmbH als staatlichen Zuschuss erhält, da gibt es unsererseits keinen Gesprächsbedarfmehr.“ Zum Leben zu wenig, zum Sterben gerade ausreichend. Denn Plan B existiert nicht.

Jens Fischer