: Des Volkes Stimme ausgetrickst
Wohldorfer Bebauungspläne: Schwarz-Schill will Bürgerinitiative aushebeln, indem er der Bezirksversammlung Wandsbek die Entscheidungskompetenz wegnimmt. Beschließt der Senat heute über die Evokation, werden Bürgerbegehren zur Farce
von MARCO CARINI
Keine Macht den Bürgern: In seiner heutigen Sitzung will der Hamburger Senat dem Bezirk Wandsbek die Entscheidungsmacht über zwei höchst umstrittene Bebauungspläne in Hamburg-Ohlstedt wegnehmen – im Behördenjargon: evozieren. Der Grund ist nicht etwa ein Streit zwischen der CDU-Schill-Mehrheit des Bezirks und dem Senat; die liegen beide auf einer Linie. Vielmehr geht es darum, ein Bürgerbegehren auszuhebeln, mit dem das umstrittene Bauvorhaben gekippt werden soll.
Mehr als 10.000 Unterschriften hat die „Wohldorfer Wald-Initiative für Naturerhalt“ für einen Bürgerentscheid gegen ein geplantes Wohngebiet beiderseits der Hoisbüttler Straße gesammelt. Auf den Flächen, die aus Ackerland und Feuchtwiesen bestehen, sollen rund 250 Wohneinheiten entstehen. Die Initiative befürchtet durch die Bebauung eine Gefährdung des direkt angrenzenden Wohldorfer Waldes und seiner Bewohner. Durch den Wohnungsbau drohe eine Absenkung des Grundwasserspiegels und damit die Gefährdung des wertvollen Baumbestandes.
Zudem nisten in dem Waldgebiet seltene Vögel – Uhus, Baumfalken und Eisvögel werden regelmäßig gesichtet. Durch eine unmittelbar angrenzende Wohnbebauung könnte diesen Tieren ihre Lebensräume und ihre Jagdgebiete genommen werden, befürchtet Initiativen-Sprecher Horst Ulrich. Er verweist darauf, dass das Waldgebiet nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie ein Naturschutzgebiet von höchstem europäischen Rang ist.
Bliebe die Planungshoheit im Bezirk, hätte die Bezirksversammlung, die am 6. März über das Vorhaben berät, nur zwei Alternativen. Sie könnte das Bürgerbegehren ohne Wenn und Aber akzeptieren und müsste die Baupläne dann einstampfen. Spricht sie sich aber gegen den Planungsstopp aus – CDU und Schill-Partei sind für die Bebauung – muss sie umgehend die Durchführung des Bürgerentscheides vorbereiten. Um im Falle eines entsprechenden Abstimmungsergebnisses ebenfalls die Pläne zu zerreißen.
Alternative Nummer drei: Der Senat zieht heute per Evokation die Entscheidungskompetenz „im gesamtstädtischen Interesse“ an sich. Er beruft sich darauf, dass das Wohldorfer Areal eines der 19 neuen Baugebiete ist, mit denen das Konzept „Wachsende Stadt“ vorangetrieben werden soll. Nach einer Evokation hätte das Ergebnis eines Bürgerentscheides keine bindende Wirkung mehr. „Das hätte dann nur noch empfehlenden Charakter“, weiß Karsten Vollrath von „Mehr Demokratie e. V.“ Im Klartext: Egal wie der Bürgerentscheid ausfiele, der Senat könnte machen, was er will.
Schon bei der Abschaffung der Busspur auf der unfallträchtigen Stresemannstraße wurde eine Bürgerabstimmung mit einem schmutzigen Trick verhindert: Die Altonaer Bezirksversammlung übernahm gegen ihre erklärte Überzeugung die Positionen der Busspur-Befürworter und zwang so den Senat zur Evokation. Evoziert der Senat nun erneut, degradiert er das Bürgerbegehren – zentrales Instrument direkter Demokratie in der Hamburger Verfassung – endgültig zur Farce.