frisches flimmern: Titelstory
Ein Filmtitel verrät oft viel über den benannten Spielfilm. Manchmal sind deutsche Verleihtitel aber eher tölpelhaft übersetzt und dienen nur als simples Lockmittel für Kinogänger. Auffallend viele Filme, die am heutigen Donnerstag in den Kinos starten, haben fremdsprachige Titel: „Lost in Translation“, „Broken Wings“, „Confidence“ „Last Samurai“. Wer der anderen Sprache nicht mächtig ist, dem wird ein erster Zugang zum Filmwerk erschwert.
Broken Wings (Israel 2002)
“Gebrochene Flügel“ heißt der preisgekrönte erste Spielfilm des israelischen Filmemachers Nir Bergman. Ein realistisches Drama über die Kostbarkeit des Mikrokosmos Familie. Der plötzliche Verlust des Vaters lässt eine Familie im Israel der Gegenwart aus dem Gleichgewicht geraten. Ihre Flügel sind gebrochen. Jeder reagiert anders auf den Schicksalschlag. Für Yair (Nitai Gaviratz) hat das Leben keine Bedeutung mehr. Anstatt in die Schule zu gehen, verkleidet er sich lieber als Maus und verteilt Flugblätter in der U-Bahn. Mutter Dafna (Orly Silbersatz Banai) arbeitet schwer als Hebamme in einem Krankenhaus. Zu Hause entzieht sie sich ihrer Familie und möchte ständig im Bett liegen und schlafen. „Ich träume dann, dass ich wieder klein bin“, sagt Dafna einmal. Während die fünfjährige Bar (Eliana Magon) sich völlig verlassen fühlt, nässt der zehnjährige Bruder Ido (Daniel Magon) in sein Bett und springt in leere Schwimmbecken. Erst als es zu einem tragischen Unfall kommt, nimmt der Film eine dramatische Wendung. Nir Bergmans lebensnahes Portrait einer Familie im heutigen Israel ist nicht direkt mit der Krisensituation im Land verbunden. Er erzählt eine universelle Geschichte. Sein Film handelt von den Problemen des Alltags und der Wichtigkeit familiären Zusammenhaltens. Die dargestellte trostlose städtische Umgebung ist angelehnt an die eigenen Kindheitserinnerungen. Die großartigen Darsteller und die präzise Erzählweise machen aus „Broken Wings“ sehenswertes Kino. Auf der Berlinale 2003 wurde Bergmans Werk mehrfach ausgezeichnet. Für sein bewegendes Drama über die Zerbrechlichkeit des Glücks erhielt er auch den begehrten Panorama-Publikumspreis.
Nicholas Nickleby
Schon der Titel des Films (USA, GB, D, NL, 2002) von Douglas McGrath deutet an, dass eine bedeutsame Persönlichkeit dargestellt wird. Die Leinwandadaption von Charles Dickens drittem Roman ist ein unterhaltsam erzählter Ausstattungsfilm, der die Atmosphäre der Buchvorlage einfängt. Nach dem Tod des Vaters reist der junge Nicholas Nicklebey (Charlie Hunnam) mit seiner Schwester und seiner Mutter ins dunkle, abgründige London des 19. Jahrhunderts, um seinen Onkel Ralph (Christopher Plummer) um Unterstützung zu bitten. Doch der vermeintlich reiche Onkel entpuppt sich als fieser Tyrann. Die Familie wird auseinandergerissen. Nicholas wird als Hilfslehrer in eine erbärmliche Schule für Waisenkinder, geschickt. Vor allem der hinkende Smike (Jamie Bell) wird dort gnadenlos geknechtet. Nicholas und Smike freunden sich an und flüchten zurück nach London, um ihren Traum von einer besseren Welt zu verwirklichen. „Nicholas Nickleby“ erschien ursprünglich als Fortsetzungsroman in Tageszeitungen. Die historische Geschichte über soziale Ungerechtigkeiten in der viktorianischen Gesellschaft ist auch jetzt noch aktuell.
STEFAN ORTMANN
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