Debatte: Abschied vom Zentralismus : Die SPD, die Regionalplanung und das Ende des staatlichen Dirigismus
Eine grundlegende Verwaltungsreform rückt näher. Schade, dass ausgerechnet die CDU in der bequemen Oppositionsrolle verharrt
Voraussichtlich Mitte Februar werden Grüne und SPD im Landtag das Gesetzespaket verabschieden, das den neuen Regionalverband Ruhr installiert. Das hat nicht nur für das Ruhrgebiet Bedeutung. Vielmehr neigt sich eine fast 40jähige, von ausgeprägtem Zentralismus gekennzeichnete Phase dem Ende zu. Nach ihrem Wahlsieg von 1966 hatten die Sozialdemokraten die bis dahin für das größte Bundesland typischen regionalen Strukturen zunächst kaltgestellt und später verstaatlicht. Die dann folgende Zeit war durch eine Mischung aus staatlichem Dirigismus und ungezügelter kommunaler Konkurrenz geprägt, und die Kommune mit dem besten Draht nach Düsseldorf konnte sich durchsetzen.
Die Reform wird auf vier Ebenen mit dieser Epoche brechen. Zunächst befreit sie Gemeinden, die mit ihren Nachbarn verbindlich kooperieren, von der staatlichen Regionalplanung. Die bunte Vielfalt, die diese Kommunalisierung auslösen kann, wird allerdings regional ausbalanciert: In einem „Masterplan“ legt der neue Regionalverband Grundzüge der Siedlungsstruktur im Ballungsraum zwischen Ruhr und Emscher fest. Die Landesregierung genehmigt ihn und gibt ihm so das Minimum an Verbindlichkeit, das nötig ist, um gemeindliche Planung und die Interessen des gesamten Ballungsraums zu harmonisieren. Der Verband hat weitere attraktive Kompetenzen. So wird er regionale Wirtschaftsförderung, Standortmarketing und Öffentlichkeitsarbeit betreiben, regional bedeutsame Gewerbeflächen entwickeln und Träger regionaler Projekte sein. Damit kann er auch die landeseigene Projekt Ruhr GmbH ablösen, die Ministerpräsident Clement dem Ruhrgebiet nach Ende der Internationalen Bauausstellung Emscher Park aufgezwungen hatte. Eine weitere Verbesserung rundet das Bild ab: Bisher finanzierten sich Kommunalverbände über Umlagen, und ihre Kämmerer mußten jedes Jahr aufs neue bei den Mitgliedsgemeinden das erforderliche Geld zusammenkratzen. Nun kann der Regionalverband Ruhr selbst Geld aus der Gemeindefinanzierung des Landes erhalten.
Die Reform ist zunächst für das Ruhrgebiet von großer Bedeutung. Diese Region wird die notwendigen Wandlungsprozesse nur leisten können, wenn 11 Kreisfreie Städte und 4 Kreise, mit 42 weiteren Gemeinden, wieder lernen zu kooperieren. Indem aber das Land nun die Bereitschaft zeigt, wirklich “loszulassen“, seinen im Lauf der Zeit immer kontraproduktiveren Zentralismus aufgibt und Gemeinden sowie deren Zusammenschlüssen Kompetenzen und Verantwortung überträgt, gibt es ein Signal über das Ruhrgebiet hinaus. So verfolgen viele Städte mit Interesse, was 2004 im Ruhrgebiet passiert. Und die jetzt schon im Rheinland aufflackernde Debatte macht deutlich, dass auch in anderen Regionen Reformbedarf und Reforminteresse besteht.
Dabei wird Eines wichtig sein: Die Zeit, in der ein so großes Land wie NRW quasi im Gleichschritt zu marschieren hatte, ist vorbei. Regionale Kooperationen, auch wenn sie sich verfestigen, können eine sehr vielfältige Gestalt annehmen. So ist es keineswegs zwingend, dass etwa Ostwestfalen, das Sauerland, der Niederrhein oder das bergische Städtedreieck sich so aufstellen müssen, wie es das Ruhrgebiet nun tun wird. Insofern kann es durchaus passieren, dass Städteverbünde und Regionen, ähnlich wie es in den letzten Jahren im Ruhrgebiet erfolgte, einen internen Dialog über sinnvolle Regionalstrukturen beginnen. Nachdem nun das Ruhrgebiet die Türe für eine Regionalreform aufgestoßen hat, könnte NRW in den nächsten Jahren bunter werden.
Eine etwas tragische Figur macht in diesem Reformprozeß die CDU. In den frühen 1990er Jahren hatte sie als erste einen Vorschlag zur Dezentralisierung und Regionalisierung des Landes gemacht. Während die NRW- Grünen noch Mitte der 90er Jahre ein eigenes Modell vorlegten, tat sich die SPD sehr schwer und löste sich erst mit dem Weggang von Ministerpräsident Clement von ihrem traditionellen Zentralismus. Obwohl die Koalitionsfraktionen und Ministerpräsident Steinbrück die CDU aufforderten, sich am Reformprozeß zu beteiligen, hatte sie nicht den Mut, sich aus der bequemen Oppositionsrolle zu lösen.
THOMAS ROMMELSPACHER