: Nur noch eine Tingeltour
Der Hallenfußball hierzulande hat seine Aura als Budenzauber verloren und ist nur noch ein lebloses Kunstkonstrukt. Die Bundesliga bleibt diesem weitgehend fern
SCHWERIN taz ■ Am Ende half nur noch ein Ausrufezeichen. „Und das Publikum geht jetzt mit!“, schrie der Hallensprecher, um der Spaßarmut ein Ende zu bereiten. Intervallartig setzte der Applaus ein, doch nur langsam breitete er sich in der Schweriner Sport- und Kongresshalle aus. Der Akustik-Beauftragte war noch immer nicht zufrieden: „Das ist zu wenig“, dröhnte es drohend aus den Boxen. Irgendwann griff er zum nächsten Hilfsmittel, die Lautsprecher verpulverten nun einen Zusammenschnitt beliebter Bierzelt-Hymnen. Und siehe da: Es regte sich doch noch etwas. Der Animateur hatte seine Mission erfüllt.
Einfach war die Aufgabe nicht, aber das Zeitalter des bombastischen Budenzaubers ist eben passé. Die einst aufgeblähte Hallenfußballserie mit undurchsichtigem Qualifikationsmodus und abschließenden Masters ist zu einem künstlich am Leben erhaltenen Konstrukt verkümmert. Geblieben ist eine putzige Tingeltour durch Städte wie Oldenburg, Riesa oder Aschaffenburg, die ihr Ende – immerhin – in Hamburg findet, in der pompösen Color Line Arena. In Schwerin war die Kickerei auf dem Kunstrasen als „internationaler Leckerbissen“ gepriesen worden, weil die türkische Erstligamannschaft Denizlispor mitwirkte. „Es ist nicht mehr das, was es mal war“, sagt dennoch Juri Schlünz, Trainer von Bundesligist Hansa Rostock. „Ich könnte auf den Hallenfußball verzichten.“
Allein steht er mit seiner Meinung nicht. Nur sieben der achtzehn Bundesligisten präsentieren sich dieser Tage unter dem Hallendach, im vergangenen Jahr waren es noch neun. Zwei der sieben Turniere müssen gänzlich auf Bundesliga-Beteiligung verzichten. „Die Saison ist zu wichtig geworden. Es geht um sehr, sehr viel“, sagt Hamburgs Trainer Klaus Toppmöller. Die Halbfinalniederlage gegen den VfB Lübeck, den späteren Sieger in Schwerin, nahm er mit lähmendem Gleichmut zur Kenntnis. Es folgte keine Spielanalyse, keine Ursachenforschung, natürlich nicht. Die einzigen Worte, die Toppmöller hernach zu Gehör brachte, waren: „Lars Jacobsen liegt verletzt in der Kabine. Eine schöne Bescherung.“
Auch das Startgeld dürfte da wenig Trost spenden, obgleich dem weniger betuchten HSV die 20.000 Euro als Zusatzeinahme nicht ungelegen kommen. „Aber gesunde Spieler sind selbstverständlich wichtiger“, sagt Hamburgs Teammanager Bernd Wehmeyer. So scheint der Hallenfußball selbst seine Funktion als Wirtschaftsfaktor verloren zu haben. Vor fünf oder sechs Jahren konnte die balltretende Light-Version wenigstens noch das eine oder andere Milliönchen in die Kassen spülen. „Reich wird man in der Halle aber heutzutage nicht“, sagt Manfred Wimmer, Vorstandsvorsitzender in Rostock.
Als einzige deutsche Spitzenmannschaft hat sich übrigens Werder Bremen auf Winter-Tournee begeben. Dreimal startet der Bundesliga-Tabellenführer in den Hallen – ein Novum. Verwunderlich ist das aber nicht. Seit 15 Jahren organisiert Dieter Burdenski mit seiner Agentur Hallenturniere; Werder war viele Jahre lang dessen Arbeitgeber. Von einer sterbenden Serie will Burdenski nichts wissen: „Es ist ungerecht, den Hallenfußball totzusagen“, sagt er. Er könne jedenfalls auch ohne den beheizten Gigantismus leben, ihm gefalle der regionale Charme: „Keine Mannschaft ist gezwungen, in der Halle zu spielen. Aber die Menschen in Schwerin oder Oldenburg freuen sich, einmal Bundesligaspieler zu sehen.“
Gefreut hat sich auch Spieler-Berater Jörg Neubauer. Sieben Klienten konnte er in Mecklenburg besuchen. „Meinetwegen könnte es dutzende Turniere geben. Hier geht es lockerer zu“, sagt Neubauer. Wo sonst können Spieler wenige Minuten vor Dienstantritt bei einem Kaffee ihre Zukunft aushandeln?
RONNY BLASCKE