: Kein Freund von Premierminister Tony Blair
Londons Bürgermeister, Ken Livingstone, ist wieder Mitglied der Labour-Party, denn sie will die Wahlen gewinnen
Es ist keine Liebesheirat. Der Vorstand der britischen Labour Party hat vorgestern Londons Bürgermeister, den „roten Ken“ Livingstone, mit 22 zu 2 Stimmen wieder in die Partei aufgenommen. Im Jahr 2000 war Livingstone für fünf Jahre ausgeschlossen worden, weil er gegen den offiziellen Labour-Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters antrat und haushoch gewann. Es war die wohl schwerste Demütigung für Tony Blair seit seinem Amtsantritt als Premierminister.
„Er ist eine Katastrophe für London“, hatte Blair damals gesagt. Inzwischen hat er seine Meinung geändert. „Die Wahrheit ist, dass er als Bürgermeister nicht so war, wie ich erwartet hatte“, meinte der Premierminister vorgestern. „Er hat gute Arbeit geleistet.“ Es habe nichts damit zu tun, dass im Sommer die Bürgermeisterwahlen stattfinden, erklärte Blair, doch das glaubt ihm niemand. Am selben Tag wählen die Briten die Abgeordneten für das Europa-Parlament. Zwei Niederlagen an einem Tag wären für Blair verheerend. So setzte er sich zähneknirschend für die Wiederaufnahme Livingstones ein.
Der gab sich gestern großzügig. „Menschen fällen Urteile, und manchmal sind sie nicht richtig“, sagte er. „Ich selbst mache manchmal auch Fehler.“ Nun muss wenigstens die Hälfte der 50.000 Londoner Parteimitglieder seine Kandidatur als Bürgermeister absegnen, doch das dürfte eine Formsache sein.
Livingstone wurde 1945 in Südlondon geboren. Nach dem Schulabschluss arbeitete er als Labortechniker am Royal Marsden Hospital. 1969 trat er in die Labour Party ein, zwei Jahre später wurde er in den Stadtrat von London-Lambeth gewählt. 1981 löste er Andrew McIntosh als Bürgermeister von Großlondon ab. Er war der Trost der Labour Party, die damals bei Parlamentswahlen ein ums andere Mal gegen die Tories den Kürzeren zog. Aber er war auch ein ständiges Ärgernis für Premierministerin Margaret Thatcher. Weil sie Livingstone auf demokratischem Weg nicht loswerden konnte, schaffte Thatcher den Londoner Stadtrat 1986 kurzerhand ab. Ein Jahr später zog Livingstone als Abgeordneter für Brent East ins Unterhaus ein.
Als Blair vor vier Jahren den Londoner Stadtrat wieder einführte, galt Livingstone als sicherer Labour-Kandidat. Doch der Parteivorstand manipulierte das Wahlsystem so geschickt, dass Frank Dobson die Kandidatur gewann, obwohl er deutlich weniger Stimmen als Livingstone erhalten hatte. Der stellte sich daraufhin selbst auf.
Livingstones Hauptaugenmerk galt in den vergangenen vier Jahren der Transportpolitik. Er verhinderte die Privatisierung der Londoner U-Bahn und führte eine Staugebühr ein: Jeder Autofahrer, der in die Innenstadt will, muss seitdem fünf Pfund bezahlen. Diese Maßnahme, die ganz auf Blairs politischer Linie liegt, funktioniert relativ gut. Freunde werden der Premierminister und der Bürgermeister dennoch nicht, dazu trennt sie zu viel – zum Beispiel der Irakkrieg.
RALF SOTSCHECK