: Der lange Weg zum Bürgergeld
Auf einem Kongress diskutieren Freunde des Grundeinkommens, wie sie ihrer Idee eine Mehrheit verschaffen können
„Man muss die neue Idee wachsen lassen.“ Der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, gehört zu den prominentesten Befürwortern des Grundeinkommens, die am Wochenende in der Humboldt-Universität über diese Idee diskutierten. Mehrere hundert Menschen – von Vertretern der Linkspartei bis der CDU – kamen zu dem Kongress, der von Grundeinkommens-Netzwerken aus Österreich, der Schweiz und Deutschland organisiert wurde.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen wollen sie alle: Der Staat soll jedem Bürger einen existenzsichernden Geldbetrag zur Verfügung stellen – ohne Bedürftigkeitsprüfung, ohne Zwang zur Gegenleistung. Streit gibt es vor allem über die Ausgestaltung: Welche Höhe soll das Grundeinkommen haben, und wie wird es finanziert? dm-Chef Werner möchte das Grundeinkommen an den verschiedenen Vorstellungen nicht scheitern lassen. „Wenn Sie die Idee töten wollen“, sagt er, „dann machen Sie eine Abstimmung.“ So sei das auch bei den Grünen gewesen, die vor knapp einem Jahr auf einem Parteitag das Grundeinkommen abgelehnt hatten. Die Festlegung auf Zahlen habe eine allgemeine Diskussion abgewürgt, so Werner. Er findet, das bedingungslose Grundeinkommen stelle „die gängigen Paradigmen infrage“. Zu diesen Paradigmen zählt er zum Beispiel die Kopplung von Arbeit und Einkommen, die mit einem bedingungslosen Grundeinkommen aufgehoben werden soll.
Werner Rätz von Attac fordert ebenfalls mehr Zeit, um „Bedenken und Verunsicherung auszuräumen“. Er betont, es gehe darum, die „Hegemonie im Denken“ zu erreichen und Druck von unten aufzubauen. Im Moment sehe er noch keine Mehrheit für das Grundeinkommen. Im Bundestag hätten derzeit nur Konzepte wie das von Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) eine Chance. Althaus will ein Grundeinkommen von 600 Euro für alle, finanziert durch eine höhere Lohnsteuer.
Allerdings wollen nicht alle auf konkrete Modelle verzichten, wie genau ein Grundeinkommen aussehen könnte. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in der Linkspartei hat einen Vorschlag entwickelt – und Stefan Wolf, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, meint, dadurch könne man zeigen, dass ein Grundeinkommen finanzierbar sei. Die Linke schlägt 950 Euro für jeden vor, zur Finanzierung sollen vor allem höhere Einkommen und Kapital besteuert werden.
Auch Wolfgang Strengmann-Kuhn von den Grünen hält konkrete Vorschläge für notwendig und will das Grundeinkommen in kleinen Schritten einführen. So solle Ängsten vorgebeugt werden. Ein „partielles Grundeinkommen“ mit einem Sockel von 420 Euro biete bereits eine „Teilsicherheit“, so Strengmann-Kuhn. Dass es bei den Grünen mit dem Grundeinkommen nicht geklappt hat, liege daran, dass man der Parteispitze zwei Monate nach dem Afghanistan-Parteitag keine weitere Niederlage habe zufügen wollen. Für die Zeit nach der Bundestagswahl erhofft er sich neue Chancen für das Grundeinkommen.
FELIX WERDERMANN