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Archiv-Artikel

Geheime Nahostgespräche

Bei Kontakten zwischen Israel und Libyen geht es um eine mögliche Aufnahme von diplomatischen Beziehungen. Treffen mit Gaddafis Sohn

Aus Sicht Israels wird das radikale Lager in der arabisch-muslimischen Welt geschwächt

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Das israelische Außenministerium steht offenbar in Kontakt zur libyschen Führung. Wie die liberale Tageszeitung Ha’aretz gestern berichtete, war bereits vor zehn Tagen ein hoher Beamter des Ministeriums in Paris, um sich mit Vertretern aus Tripolis über die Möglichkeiten einer Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu beraten. In Regierungskreisen wurden die Entwicklungen offensichtlich aus Sorge vor einer Beeinträchtigung der politischen Kontakte beider Länder heruntergespielt. Berichten von „Ma’ariv online“ zufolge hatte Libyen die Verhandlungen an strikte Geheimhaltung geknüpft. Das Ziel sei lediglich, einen Dialog mit Libyen zu initiieren, hieß es in Jerusalem. Ende Dezember hatte sich der libysche Staatschef Muammar Gaddafi zur Einstellung seines Programms der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen bereit erklärt.

Mit diesem Schritt „reagierte Gaddafi auf die Verhaftung Saddam Husseins“, erläutert Dr. Schmuel Bar vom Interdisziplinären Zentrum für Strategie und Politik in Herzlia auf telefonische Anfrage. Libyen sei ein „deutlich schwächeres Land als der Irak“. Gaddafi musste sich „zwischen einer Fortsetzung seines Nuklearprogramms und der Rettung des eigenen Regimes entscheiden“, so Bar, der die Signale aus Tripolis als „durchaus ernst zu nehmen“ bezeichnet. Im Umfeld des Staatschefs habe es bereits seit den 80er-Jahren „Pragmatiker gegeben“, mit denen Kontakte möglich gewesen seien.

Einer der moderateren Kräfte scheint Gaddafis Sohn und möglicher Nachfolger Seif al-Islam Gaddafi zu sein, der sich im vergangenen August mit zwei Abgeordneten des israelischen Parlaments traf. „Mein Eindruck ist, dass Gaddafi kein Mann der kleinen Schritte ist“, resümierte Efraim Sneh von der Arbeitspartei gestern das Gespräch. Er werde nicht auf halbem Weg anhalten, sondern „volle Beziehungen zu Israel“ anstreben. Seif al-Islam führt laut Berichten der kuwaitischen Zeitung Al-Siyasa bereits seit neun Monaten Geheimverhandlungen mit Israel, die von den USA, Großbritannien, Katar und Ägypten vermittelt worden seien. Dem Bericht nach habe Libyen „nicht gezögert, die Kontakte die Israel zu verbessern“.

Umgekehrt besteht auch in Israel grundsätzlich das Interesse, politische Kontakte zu Staaten aufzunehmen, die eine potenzielle Gefahr darstellen. Als im August 1993 200 libysche Pilger Jerusalem besuchten, kommentierte der damalige Polizeiminister Mosche Schachal, dass Israel „die Normalisierung mit einem arabischen Staat, gegen den wir nichts einzuwenden haben“, diskutierte. Mit dem Scheitern des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses kühlten indes Israels Beziehungen zur arabischen Welt deutlich ab.

„Libyen wird der erste arabische Staat sein, der Massenvernichtungswaffen entwickelt“, hatte Premierminister Ariel Scharon bereits im Sommer des vorvergangenen Jahres gewarnt. So war die Einstellung des libyschen Atomforschungsprogramms in Israel mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Gegenüber dem Jerusalem Report kommentierte Ex-Mossad-Chef Danni Jatom, dass die Entscheidung Gaddafis auch strategische „Konsequenzen hat, die über die nukleare Bedrohung hinausgehen“. So werde das radikale Lager in der arabisch-muslimischen Welt geschwächt. Syrien und Iran blieben isoliert zurück.

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