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Archiv-Artikel

Auf Lkw-Jagd im Autobahn-Tiefschnee

Österreichs Polizei sucht verstärkt nach technischen Mängeln – aus Protest gegen die Verkehrspolitik der EU

WIEN taz ■ Seit Jahresbeginn wird von Schwerfahrzeugen auf Österreichs Autobahnen Maut erhoben – pro Kilometer 22 Cent pro Kilometer. Seit Mittwoch werden die Lenker von Frachtfahrzeugen zusätzlich genervt: mit verstärkten Kontrollen des technischen Zustandes und der Überprüfung der Ruhezeiten von Fernfahrern. I

Infrastrukturminister Hubert Gorbach (FPÖ) reagiert damit auf den Wegfall der Ökopunktelösung. Die hatte so funktioniert: Jeder Frachtunternehmer bekam ein „Ökopunkte-Konto“, das ihm eine bestimmte Anzahl von Fahrten erlaubte und das er abfahren konnte. Die Europäische Union hat gegen den Willen Österreichs dieses Transitabkommen, das die Durchfahrt von Schwerverkehr mengenmäßig beschränkte, nicht verlängert.

Die von Brüssel angebotene Ersatzlösung, die nur für die ältesten Lkw-Modelle gewisse Beschränkungen vorsieht, will Gorbach nicht umsetzen: Das Grundproblem sei, dass für die Lkw mit neuen Abgasstandards keine Verpflichtung besteht, ein Kontrolldokument oder ein Gerät zur elektronischen Erfassung der Ökopunkte mitzuführen. Gorbach: „Damit ist das Nachfolgesystem für uns auch technisch nicht exekutierbar.“ Es verursache nur Kosten und bringe nichts.

Die Klagedrohung der EU-Kommission beunruhigt ihn nicht. Österreich habe „keinen Grund zu gebeugter Bittstellung“. Vielmehr sei zu prüfen, ob gegen die EU wegen Nichterfüllung der Vorgaben des Transitvertrags geklagt werden könne. Die grüne Verkehrssprecherin Eva Lichtenberger hingegen fürchtet, Österreich würde sich dadurch in der EU weiter isolieren.

Die „Aktion Scharf“, wie sie im Volksmund genannt wird, die vorerst für drei Tage anberaumt ist, soll Spediteure nun abschrecken. 36 Techniker wurden mit neun Prüfzügen auf die vor allem im Osten tief verschneiten Straßen geschickt. Verstärkt werden sie durch die Polizei und Kontrollpersonal der Autobahnfinanzierungsgesellschaft Asfinag. Überprüft werden der technische Zustand des Lkw, etwa der Bremsen und Radaufhängung, die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten, die Bezahlung der seit Jahresbeginn 2004 geltenden Lkw-Maut, die sichere Verwahrung der Ladung und die Einhaltung der sozialrechtlichen Bestimmungen. Angehalten würden vor allem Fahrzeuge, die schon äußerlich auffallen, sagte ein Polizeisprecher in Tirol. Letztes Jahr wurden nur 17.000 Lkw kontrolliert. Gorbach hat für 2004 eine Verdopplung dieser Überprüfungen vorgesehen. Da die EU darüber wacht, dass ausländische Fahrer nicht diskriminiert werden, sollen auch Österreicher verstärkt unter die Lupe genommen werden. Der Transit ausländischer Lkw macht ja nur etwa zehn Prozent des gesamten Lkw-Verkehrs aus.

Die elektronische Mautabrechnung, die seit dem 1. Januar verlangt wird, funktioniert laut Polizei reibungslos. Fahrzeuge von mehr als 3,5 Tonnen müssen eine so genannte Go-Box erwerben, die auf der Autobahn elektronisch eincheckt. 60 Prozent aller Schwerfahrzeuge seien bereits damit ausgerüstet, so die Asfinag. Bisher wurden vor allem Inländer von den mobilen Kontrollteams beim Mautprellen erwischt. Und einige Fahrer von schweren Wohnmobilen, die sich überrascht zeigten, dass die Kilometermaut auch für sie gilt.

RALF LEONHARD