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Archiv-Artikel

Eins, zwei, … äh … vier

Verwirrung um Reform der ErzieherInnen-Ausbildung: Bildungssenator Böger verkündet eine Verkürzung, die es gar nicht gibt. Gespart wird aber trotzdem. Praktika werden nicht mehr bezahlt

von SABINE AM ORDE

Für einige Verwirrung sorgte gestern ein Auftritt von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) auf der wöchentlichen Senatspressekonferenz. Der Senat habe beschlossen, die Erzieherausbildung zu reformieren, verkündete Böger dort in gewohnt heiterem Ton. Die Ausbildung werde künftig nur noch drei statt wie bisher vier Jahre dauern, das bislang angefügte einjährige Berufspraktikum in die schulische Ausbildung integriert, und das Land würde dadurch jährlich 14 Millionen Euro einsparen. „Senat verkürzt Erzieher-Ausbildung“ tickerten prompt die Agenturen. Allein die Nachricht war falsch.

Denn schon jetzt umfasst die ErzieherInnen-Ausbildung in Berlin nur drei Jahre: Zuerst kommen zwei Jahre Schule, und nach bestandendener Prüfung folgt ein einjähriges Berufspraktikum. Das bestätigten gestern sowohl das Pestalozzi-Fröbel-Haus, das ErzieherInnen ausbildet, als auch Bögers Sprecherin Rita Hermanns.

Ganz so schlimm wie von Böger angekündigt wird es also doch nicht kommen. Doch von den großen – und dringend notwendigen – Plänen für die vorschulische Erziehung, die der Senator nach dem schlechten Abschneiden der deutschen SchülerInnen bei der Pisa-Studie und den desaströsen Ergebnissen Berliner VorschülerInnen bei der Sprachstandsmessung Bärenstark verkündet hatte, ist auch nicht viel übrig. Von einem bundesweit einmaligen Modellprojekt zum Studium von ErzieherInnen an der Fachhochschule war da die Rede, was in fast allen anderen westeuropäischen Ländern Praxis ist. Doch das hat die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung längst abgelehnt. Die Bundesländer befürchten, dass studierte ErzieherInnen mittelfristig besser bezahlt werden müssten. Bleibt also eine halbgare Berliner Reform – und die scheint eher finanz- als bildungspolitisch motiviert zu sein.

Denn richtig an den gestrigen Darstellungen von Bildungssenator Böger ist folgendes: Das einjährige Berufspraktikum wird abgeschafft, stattdessen werden drei Praxisphasen in die dann insgesamt dreijährige schulische Ausbildung integriert. Diese Praktika sind nicht nur kürzer, sie werden auch nicht mehr bezahlt. Derzeit erhält eine Erzieherin während des Berufspraktikums 1.133 Euro, die künftig eingespart werden. KritikerInnen befürchten, dass so besonders motivierte BewerberInnen – vor allem QuereinsteigerInnen – von ihrem Berufswunsch abgebracht werden.

Gleichzeitig plant Böger auch zwei kleine Schritte in die richtige Richtung, die der Senat gestern allerdings noch nicht beschlossen hat: Zum einen werden die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung erhöht. Statt eines erweiterten Haupt- oder Realschulabschlusses müssen die BewerberInnen künftig die Fachhochschulreife oder das Abitur vorweisen. Die SchülerInnen bringen dann also eine bessere Allgemeinbildung und größere persönliche Reife mit. Das soll im neuen Schulgesetz geregelt werden.

Zudem sollen die Ausbildungsinhalte reformiert werden, die bislang stark verschult sind. Statt der bisherigen Fächer soll es Lernbereiche geben, die einzelnen Felder sollen also miteinander verwoben werden. An der konkreten Ausgestaltung arbeitet derzeit eine Kommission, in der sowohl die Bildungsverwaltung als auch die insgesamt zwölf Fachschulen vertreten sind.