: Computer als Zaubermittel gegen Analphabetismus
In Peru versteht nur jeder vierte Grundschulabsolvent einen vorgelesenen Text. Jetzt geht es um Qualitäts- statt um Quantitäts-Reform der Bildung
LIMA ips ■ In Peru ist eine Bildungsreform im Gespräch, seitdem eine offizielle Studie den Schülerinnen und Schülern des südamerikanischen Landes erhebliche Wissenslücken nachgewiesen hat. Bildungsministerium und Nichtregierungsorganisationen gehen vor allem der Frage nach, wie sich die Qualität der Ausbildung und die Vermittlung nachhaltiger Kenntnisse verbessern lassen.
Peru und 70 weitere Länder laufen Gefahr, die auf dem Weltbildungsforum in Dakar im Jahr 2000 gesteckten Ziele zu verfehlen. Dies geht aus einem im vergangenen November veröffentlichten Bericht der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) hervor. Auch die jüngste Untersuchung der peruanischen Regierung auf diesem Gebiet bringt alarmierende Ergebnisse im Bildungsbereich zum Vorschein.
Die Zeitschrift Economía y Sociedad, die vom peruanischen Konsortium für Wirtschafts- und Sozialforschung herausgegeben wird, widmete ihre jüngste Ausgabe komplett der Bildungsdebatte. In Peru gebe es gravierende Ungleichheiten, was den Bildungszugang und die Qualität der Ausbildung angehe, heißt es in dem Bericht. Besonders auffällig sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie das geschlechtspezifische Bildungsgefälle. Schüler und Studenten staatlicher Lehranstalten sind gegenüber ihren Kommilitonen, die private Einrichtungen besuchen, insgesamt benachteiligt. Das Gleiche gilt für Schüler, die kein Spanisch, sondern nur eine der indigenen Sprachen sprechen.
Im Bildungsministerium wird derweil über den geeigneten Weg gestritten, um der Misere zu begegnen. Bildungsminister Gerardo Ayzanoa kündigte im Dezember eine Reform der Lehrpläne für Mathematik und Sprachen an. Andere setzen auf den „Plan Huarascan“, ein Wahlversprechen von Präsident Alejandro Toledo aus dem Jahr 2001, demzufolge die Schulen massiv mit Computern und Internetzugängen ausgestattet werden sollen.
Im gleichen Jahr hatte die Übergangsregierung von Valentín Paniagua eine nationale Bildungsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im letzten Jahr veröffentlicht wurden. Die Studie „Evaluación Nacional 2001“ bewertete die Leistungen von 40.000 Schülern aus dem vierten und sechsten Jahr der Grundschule sowie aus dem vierten Jahr der Sekundarschule an 1.226 staatlichen und privaten Schulen.
Die Ergebnisse waren erschreckend. Nur jeder vierte Grundschulabsolvent war in der Lage, einen vorgelesenen Text zu verstehen. Ebenfalls nur ein Viertel der Schüler vermochte elementare Rechenaufgaben zu lösen. Zum Vergleich: In Deutschland sind ein Viertel der Schüler dazu nicht in der Lage. Die Debatte über die angeblich große Bildungsexpansion während der Regierung von Expräsident Alberto Fujimori, die dieser stets für sich beanspruchte, fand damit ein jähes Ende.
Fujimori, der das Land von 1990 bis 2000 regierte, war nicht müde geworden, auf die Erfolge seiner Bildungspolitik hinzuweisen. So sei die Analphabetenquote in Peru zwischen 1994 und 2000 von 57 Prozent auf 12 Prozent zurückgegangen. Fast alle Kinder besuchen mittlerweile die Grundschule und immerhin 80 Prozent eine weiterführende Schule. „Diese Daten sind korrekt. Doch wurde die Statistik dazu benutzt, die Realität zu verdecken, denn die Zahlen sagen nichts über die Qualität des Unterrichts aus“, kritisiert der ehemalige Berater des Bildungsministeriums, Victor Raúl González. Zwar habe Peru es geschafft, großen Teilen der Bevölkerung den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Doch sei dies auf Kosten der Qualität gegangen, wie die Studie aus dem Jahre 2001 zeige.
„Wir bilden halbe Analphabeten aus, die lesen und schreiben sowie Additions- und Subtraktionsaufgaben lösen können. Doch sind sie unfähig, das Gelesene zu verstehen oder eine Multiplikationsaufgabe zu bewältigen“, meint auch der Bildungsexperte Leon Trahtemberg, der eine Privatschule leitet.
Die Reform der nationalen Bildung ist für ihn eine der dringlichsten Regierungsaufgaben. Dabei dürfe man nicht auf Zauberformeln oder Lösungen durch elektronische Medien hoffen, sagt er mit Blick auf den „Plan Huarascan“. Von den 50.000 staatlichen Schulen im ganzen Land, die von mehr als sechs Millionen Schülern besucht werden, seien bis Oktober letzten Jahres nur 400 Schulen durch das Programm mit Computern ausgestattet worden, gibt er zu bedenken.
Wichtiger, so der Bildungsexperte, sei die Lösung der durch die „Evaluación Nacional 2001“ aufgedeckten Grundprobleme.
ABRAHAM LAMA