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Archiv-Artikel

Der Countdown für Zypern läuft

UNO-Generalsekretär Kofi Annan startet neuen Vermittlungsversuch. Chancen, den Zeitplan einzuhalten, sind gering

NIKOSIA taz ■ Kurz vor Beginn des Besuchs von UN-Generalsekretär Kofi Annan in der geteilten zypriotischen Hauptstadt Nikosia sind die Hoffungen gering, dass ein Durchbruch bei den Friedensverhandlungen bis Ende des Monats möglich ist. Annan, der gestern in Athen noch einmal mit Nachdruck eine Einigung anmahnte und heute in Nikosia eintreffen will, bemüht sich dennoch um das Unmögliche: Mit einer überarbeiteten Version des UN-Plans zur Gründung eines gemeinsamen Staats für Inselgriechen und -türken will er die Bedenken beider Seiten ausräumen.

Zumindest der Name für den neuen Staat steht fest: United Republic of Cyprus soll das neue Kind heißen. Der veränderte UN-Plan nimmt vor allem auf die Bedenken des zyperntürkischen Chefs Rauf Denktasch Rücksicht. So soll die Karpasregion im Nordosten dem türkischen Siedlungsgebiet zugeschlagen werden, berichteten zypriotische TV-Stationen. Die Zahl der griechischen Flüchtlinge, die in das türkische Gebiet zurückkehren dürfen, wird verringert, und der Beginn ihrer Rücksiedlung soll zeitlich gestreckt werden.

Doch Denktasch hat für die geografischen Häkelarbeiten noch nichts übrig: „Sie bieten den Zperngriechen einen Kuchen an, und uns Erdnüsse.“ Andere Töne schlug Tayyip Erdogan, Chef der türkischen Regierungspartei AKP an. Er hielt nach Gesprächen Annans in Ankara die Einhaltung des Zeitplans für Zypern immer noch für möglich.

Annan scheint daran selbst kaum mehr zu glauben. Dem Vernehmen nach soll die am 28. Februar ablaufende Frist für eine Übereinkunft um eine Woche verlängert werden. Am 1. April soll ein Referendum über den neuen Staat folgen. Die Zeit drängt, weil Zypern Mitte April förmlich als kommendes EU-Mitglied bestätigt wird. Ohne Lösung werden nur die Zyperngriechen vom Beitritt profitieren.

Ein Zuckerstückchen für die Zyperngriechen hat unterdessen Großbritannien in Absprache mit der UN angeboten. Die Regierung in London erklärte sich am Montag bereit, im Falle einer Lösung auf einen Teil des britischen Territoriums auf Zypern zu verzichten. Es geht um 115 Quadratkilometer. „Diese Gebiete haben keine militärische Bedeutung“, erklärte ein Sprecher des britischen Außenministeriums. Großbritannien unterhält auf Zypern zwei souveräne Stützpunkte. Besonders dem Flughafen Akrotiri wird für einen Irakkrieg Bedeutung zugemessen. Das Militärgelände selbst soll von den Rückgaben ausgeschlossen werden. Neun Zehntel des Landes wird den Zyperngriechen, ein Zehntel den Türken angeboten. Besonders den linken Parteien ist die Souveränität Großbritanniens über Teile der Insel ein Dorn im Auge. Die Zyperngriechen sind in den UN-Verhandlungen bisher in der bequemen Position, sich nicht festlegen zu müssen, weil Denktasch die UN-Pläne ablehnt.

Der neue Präsident der Republik, Tassos Papadopoulos, hat versprochen, noch mehr für seine Landsleute herauszuholen. Seine Forderung nach Rückkehr aller Flüchtlinge geht aber an der Realität vorbei, da sich die Zyperntürken und die Türkei nie auf einen solchen Plan einlassen würden. Nach taz-Informationen lehnt Papadopoulos den UN-Plan grundsätzlich ab, da er deren Bestimmungen zur politischen Zusammenarbeit beider Volksgruppen für unrealistisch hält. Allerdings hat Papadopoulos weiteren Verhandlungen auf Basis des UN-Plans zugestimmt.

Bei seinem ersten Besuch in Athen erklärte Papadopoulos am Montag den UN-Zeitplan für nicht einhaltbar, schuld sei Denktasch. Griechenlands Premier Kostas Simitis sagte, die Chance für ein Abkommen bis Freitag sei „so gut wie nicht existent“. Es fragt sich aber, was passiert, sollte der geschickte Taktiker Denktasch dem UN-Plan zustimmen. Dann müsste Papadopoulos Farbe bekennen. Ein „Ja“ könnte seine Wähler enttäuschen, ein „Nein“ die EU-Mitgliedschaft Zyperns noch gefährden. KLAUS HILLENBRAND