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Archiv-Artikel

Rebellen gegen Blair

Viele seiner Hinterbänkler werden ihrem Zorn über den britischen Premier heute Luft machen

von RALF SOTSCHECK

Bloß keine Rebellion. Der britische Premierminister Tony Blair versuchte gestern, das Unterhaus und vor allem die eigenen Hinterbänkler auf seinen Kurs zu trimmen, wenn sie heute über einen Krieg gegen den Irak abstimmen. In seiner 20-minütigen Rede fasste Blair noch einmal die Widerspenstigkeit des Irak gegen die Vereinten Nationen in den vergangenen zwölf Jahren zusammen. Man werde Saddam noch eine Chance bis Mitte März einräumen, aber eine weitere Verzögerung wäre „absurd“. Blair sagte: „Der Weg zum Frieden ist klar. Saddam kann mit den Waffeninspektoren kooperieren, er kann freiwillig abrüsten, er kann sogar das Land friedlich verlassen. Aber er kann der Entwaffnung nicht entgehen.“

Blair bezeichnete die Politik Großbritanniens und der USA als einen „letzten Schritt für den Frieden“. Das erinnere an George Orwell, bemerkte ein politischer Kommentator. In Orwells Buch „1984“ gibt die Regierung die Parole heraus: „Krieg ist Frieden.“

In dem Regierungsantrag, der heute im Unterhaus abgestimmt wird, ist allerdings keine Rede von Krieg. Stattdessen heißt es windelweich, dass man die Entwaffnung des Irak durch die UN unterstütze und die Resolution 1441 durchsetzen wolle.

Viele Abgeordnete verdächtigen Blair, dass er die Abstimmung im Nachhinein als Absegnung seiner Irakpolitik verwenden werde. So haben Abgeordnete mehrerer Parteien einen Zusatzantrag gestellt. „Die Gründe für eine militärische Aktion gegen den Irak sind bisher nicht plausibel gemacht worden“, lautet er. Zu den Unterstützern dieses Antrags gehören Chris Smith, der frühere Kulturminister, und Peter Kilfoyle, ehemaliger Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sowie Douglas Hogg, der frühere Tory-Staatssekretär. Auch die Schottische Nationale Partei und die walisische Plaid Cymru wollen dafür stimmen.

Die linke Labour-Abgeordnete Alice Mahon erwartet, dass bis zu 150 Abgeordnete gegen Blair rebellieren werden. Die meisten glauben, dass es ihre letzte Gelegenheit ist, über den Krieg abzustimmen, auch wenn Blair eine weitere Debatte versprochen hat.

Dabei hat die Opposition gegen den Krieg in den vergangenen Wochen in Großbritannien erheblich zugenommen, mehr als die Hälfte der Befragten ist inzwischen dagegen. Und selbst die meisten Regierungsbeamten sind gegen einen Krieg. In einem geheimen Dokument aus dem Verteidigungsministerium heißt es, die Gefahr, die von islamischen Extremisten ausgehe, sei viel größer als die Gefahr durch Saddam. „Al Qaida wird die Situation für ihre eigenen Ziele ausnutzen“, steht in dem Dokument.

Blair weiß, dass er seine Karriere aufs Spiel setzt. „Wenn sie mich hinauswerfen, dann werfen sie mich eben hinaus“, sagte er kürzlich. Seine Beliebtheit in der Öffentlichkeit hat den bisher niedrigsten Stand erreicht, obwohl seine Labour Party in den letzten Wochen nur 4 Prozentpunkte verloren hat. Für Blair ist eine zweite UN-Resolution unerlässlich. Zieht er ohne sie in den Krieg, würde eine Welle von Parteiaustritten folgen. Zwar würde er einen Abwahlantrag des linken Parteiflügels überstehen, doch sollte der Krieg sich hinziehen, wäre Blair erledigt.

Doch was geschieht, wenn ein Krieg ohne UN-Resolution tatsächlich in sechs Tagen vorbei ist, wie Blair glaubt? Europa würde aus diesem Krieg tief gespalten hervorgehen. Blair müsste zwischen Europa und den USA wählen, schrieb der Independent gestern. „Für einen politischen Führer wie Blair, der Großbritannien als Brücke zwischen Europa und den USA etablieren will“, heißt es in dem Artikel, „wäre das ein sehr hoher Preis.“