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Archiv-Artikel

Schiffbau ade? Kriegsflotte ahoi!

Korvetten, Fregatten und Minensuchboote für die Bundeswehr und andere Armeen

Wieland von HodenbergBremer Friedensforum

Eine traurige Tradition in Sachen Rüstungsproduktion wird von der Friedrich-Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack/Lemwerder fortgesetzt. Dabei kann es durchaus zu signifikanten Kooperationen mit anderen Rüstungsunternehmen kommen. Beispiel: Anfang Juni 2002 vergab der Deutsche Bundestag einen Auftrag zur Entwicklung einer neuen Minenjagd-Technologie an ein Konsortium aus STN Atlas Elektronik, Lürssen-Werft, Abeking & Rasmussen und EADS. Bis Ende 2005 soll für 35,9 Millionen Euro ein Seeminenortungssystem entwickelt werden, das ins Sediment eingesunkene Minen orten und mit Hilfe einer Drohne zerstören kann. Die deutsche Minenjagd-Technologie nimmt inzwischen eine führende Position in der Welt ein. Das Zentrum dafür ist in Bremen.

Weser-Werften:Lukrative Exportgeschäfte

Die Friedrich-Lürssen-Werft an der Lesummündung besteht seit 127 Jahren und gilt als die „Wiege der deutschen Schnellboote“. Schon für die Kaiserliche Marine baute Lürssen Schnellboote und für Hitlers faschistische Wehrmacht wurden zwischen 1939 und 1945 weit über 200 Schnellboote mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 45 Knoten (das sind 45 Seemeilen pro Stunde oder ca. 90 km/h) auf Kiel gelegt. Nach einer „Schamfrist“ von 12 Jahren begann die Werft erneut mit dem Bau von Schnellbooten – diesmal für die Bundesmarine. Besonders erfolgreich ist sie im Exportgeschäft mit besagten Schnellboten sowie mit Patrouillenbooten und Korvetten. Die Korvette ist ein Schiffstyp, der sich normalerweise in der Größe zwischen Schnellboot und Fregatte bewegt und zumeist in küstennahen Gewässern operiert. Aktuell arbeitet Lürssen – neben dem Korvetten- und Fregattenbau – zusammen mit Abeking & Rasmussen an einem Auftrag von sechs Minenjagdbooten für die Türkei im Wert von umgerechnet 500 Millionen Euro. In den letzten vier Jahrzehnten hat die Werft über 264 Boote ins Ausland geliefert, darunter auch nach Israel, an die Türkei, an die arabischen Golfstaaten Kuwait und Bahrein sowie an Nigeria, Thailand und Singapur. 70 Prozent ihrer Schiffe gehen ohnehin in den Export.

Fregatten aus Bremen:teurer als Luxusliners

Dabei zählt Lürssen mit 645 Beschäftigten (im Jahr 2000) lediglich zu den mittelgroßen deutschen Marinewerften nach HDW und den beiden Thyssen-Werften, die als Großwerften gelten. Die Krögerwerft in Schacht-Audorf bei Rendsburg mit 250 Beschäftigten ist ein Tochterunternehmen von Lürssen und hat den ersten der beiden Einsatzgruppenversorger, die mit 20.000 Tonnen die größten Schiffe der Bundeswehr sind, hergestellt. Mit den Einsatzgruppenversorgern „Berlin“ und „Frankfurt am Main“ wird die landungebundene Stehzeit der Einsatzgruppe von 21 auf 45 Tage verlängert, so dass Dauer und Reichweite der Einsätze noch weiter ausgedehnt werden können. Das passt in die neue Konzeption der Bundeswehr, künftig sehr flexibel an mehreren Stellen zugleich Krieg führen zu können.

Das Hauptunternehmen in Bremen-Nord ist außerdem maßgeblich an der Konstruktion und dem Bau von drei Fregatten des Typ F-l24 beteiligt. Auf der Werft werden schwerpunktmäßig das Vorschiffmodul mit Aufbau und Teilausrüstung sowie zwei hintere Aufbaumodule und Schornsteine für die 143 Meter langen Fregatten konstruiert und gefertigt. Dieser Schiffstyp gilt als die teuerste deutsche Kriegswaffe aller Zeiten und ist mit jeweils etwa 650 Millionen Euro (einschließlich Bordhubschrauber und Bewaffnung) teurer als jedes Zivilschiff. Allein der Unterhalt dieser drei Fregatten wird uns Steuerzahler binnen zehn Jahren mindestens 500 Millionen Euro kosten.

Neue „Wunderwaffe“ ausLürssens Rüstungsschmiede?

Außerdem ist bei Lürssen ein Auftrag über zwei von insgesamt fünf Korvetten des Typs K-130 gebucht, die ebenfalls von einem Konsortium konzipiert und produziert werden. Diesmal sind die Firmen Thyssen-Nordseewerke in Emden und Blohm & Voss in Hamburg mit von der Partie. Für die drei Unternehmen soll der Auftrag mit einem Gesamtvolumen von etwa 900 Millionen Euro bis 2006 rund 1.400 Arbeitsplätze sichern. Im Jahr 2007 wird das erste der fünf Schiffe, welche die veralteten Schnellboote der Bundeswehr ablösen sollen, in Dienst gestellt.

Die Korvetten, die durch einen besonderen Anstrich Tarnkappen-Eigenschaften besitzen sollen und daher vom gegnerischen Radar angeblich nicht entdeckt werden können, sind rund 88 Meter lang, 13,2 Meter breit und haben eine Wasserverdrängung von 1.580 Tonnen. Sie sollen über 26 Knoten schnell sein und werden mit modernster Technik ausgestattet. Dazu gehört die Ausrüstung mit zwei Drohnen zur Aufklärung über den Bereich des Radars hinaus. Die Ersetzung der Schnellboote durch die Korvetten bringt eine immense Kampfkraftsteigerung mit sich.

Die Marine wünscht insgesamt 15 Korvetten. Insbesondere sollen diese Schiffe als Plattformen für qualitativ neuartige Präzisionswaffen dienen, welche die Bundeswehr zu weltweiten Angriffen befähigen soll. Der für die Marine neuartige Schiffstyp gilt als hochseefähig, kann zielgenaue Marschflugkörper auch zur Landzielbekämpfung verschießen und liegt größenmäßig zwischen Schnellbooten und Fregatten. Im Bundeshaushalt sind dafür insgesamt umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro vorgesehen. Der Anteil von Lürssen an diesem dicken Rüstungskuchen beträgt 40 Prozent, der Auftragszeitraum erstreckt sich bis 2006, und für die Zeit danach sind vom Verteidigungsministerium neue Aufträge in Aussicht gestellt.

Lob vomHerrn Rüstungsminister

Bei seinem Besuch in Lemwerder lobte Rüstungsminister Peter Struck am 31. März 2003 die Friedrich-Lürssen-Werft und kündigte die besagten neuen, nicht näher spezifizierten Kriegsschiff-Aufträge an. Er legte sich jedoch nicht auf ein konkretes Auftragsvolumen fest, sondern deutete nach Presseberichten lediglich an, dass es sich dabei um neue Minensuchboote und/oder Korvetten für die Bundeswehr handeln könnte. Struck begründete die verstärkte Aufrüstung zur See mit der angeblichen Notwendigkeit, das Einsatzgebiet der Marine demnächst vom östlichen ins westliche Mittelmeer in die Straße von Gibraltar verschieben zu müssen, um beispielsweise „Handelsschiffe vor terroristischen Angriffen zu schützen“. Dies dürfte auch für die anderen Einsatzgebiete gelten, wo es um deutsche Wirtschaftsinteressen beziehungsweise um den Flankenschutz für US-amerikanische oder europäische Interventionsverbände geht, unter anderem am Horn von Afrika.

Was bei der Lürssen-Werft zur Zeit vom Stapel gelassen wird, ist also wahrlich nicht dazu angetan, unserer Welt mehr Frieden zu bringen.