: Schäfchennachwuchs für Huber
Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg schluckt die Brüder aus der schlesischen Oberlausitz. Lex Huber ermöglicht dem EKD-Vorsitzenden, über das 65. Lebensjahr hinaus Bischof zu bleiben
VON PHILIPP GESSLER
Um 18 Uhr, zum Beginn des „Kalten Büfetts“ und dem „Abend der Begegnung“, war es gestern Abend vollbracht: Die EKBBS komplett, samt Haupt und Gliedern. – EKBBS? Das Abkürzungsmonstrum steht für ein Novum in der bundesdeutschen Geschichte. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hat mit der Kirche der schlesischen Oberlausitz fusioniert: Eine neue Kirche ist entstanden.
Gestern Abend wählte die Synode, das „Parlament“ der fusionierten Kirchen, in St. Bartholomäus in Friedrichshain ihren ersten Bischof. Es ist die erste Kirchenneubildung im deutschen Protestantismus seit dem Krieg. Fortan gibt es 23 statt 24 „Gliedkirchen“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der berlin-brandenburgische Bischof Wolfgang Huber (61) wurde, wenn auch erst im zweiten Wahlgang, zum neuen Oberhirten der neuen EKBBS – sein Konkurrent, der Provinzialpfarrer Hans-Wilhelm Pietz aus Görlitz, war kaum mehr als ein Zählkandidat. Das Bischofswahlgesetz schreibt einen Wahlvorschlag mit mindestens zwei Kandidaten vor. Fast konnte man mit dem 47-jährigen Theologen Pietz Mitleid haben, denn wie konnte er bestehen gegen Huber, der zugleich Ratsvorsitzende der EKD und somit der höchste Repräsentant der Reformationskirchen im Lande Luthers ist? Hier der professorale Wessi Huber, seit 1993 Leiter einer Kirche von 1,2 Millionen Mitgliedern. Dort der als „mehr brüderlich“ charakterisierte Ossi Pietz aus der kleinen Kirche der schlesischen Oberlausitz mit gerade mal 64.000 Mitgliedern. Metropole gegen Provinz, so könnte man es sehen.
So will man es aber nicht sehen – zumindest nicht von Seiten der brandenburgisch-berlinischen Kirche. Eine Blockade-Minderheit der Synodalen in der Kirche der schlesischen Oberlausitz begriff die Fusion allerdings schon lange Zeit als feindliche Übernahme: Obwohl die Verhandlungen über den Zusammenschluss schon seit Jahren liefen, lehnte noch im September vergangenen Jahres mehr als ein Drittel der dortigen Synodalen die Fusion ab – eine Zweidrittelmehrheit war nötig für die Kirchenehe. Erst im November fand sich dann doch die nötige Mehrheit in der Kirche der schlesischen Oberlausitz – Traditionen, gerade in Glaubensdingen, sind hartnäckig.
So sind im Prozess des Zusammenschlusses auch Wunden geblieben – auf beiden Seiten: „Unsere Berlin-Brandenburger Synode war doch sehr frustriert über die anfängliche Ablehnung aus Görlitz“, erklärt Synodalpräses Anneliese Kaminski. „Wir können nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre, sondern müssen uns erst einmal zueinander arbeiten“, ergänzt die Vorsitzende der Hauptstadt-Kirchenparlamentarier mit gut protestantischem Zungenschlag. „Ich denke, wir müssen sehr behutsam vorgehen.“ Immerhin können sich die Görlitzer Synodalen zugute schreiben, dass sie bei der Fusionssynode in Friedrichshain relativ gesehen überproportioniert sind: 152 berlin-brandenburgischen Gemeindevertretern stehen immerhin 44 aus der schlesischen Oberlausitz gegenüber. Erst in zwei Jahren soll ein neu gewähltes Kirchenparlament mit nur noch 133 Synodalen zusammenkommen.
„Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn“ – dieses Wort aus dem ersten Korintherbrief des Paulus hat der Generalsuperintendent Martin-Michael Passauer wohl nicht ganz zufällig als Grundlage seiner Predigt zu Beginn der Fusionssynode ausgewählt. Berufen sind eben alle, ob Bischof, ob nicht. Für Bischof Huber allerdings hat sich die Kirchenleitung schon jetzt besondere Mühe gegeben: Eigentlich müsste der Theologieprofessor laut Dienstrecht seiner Kirche 2007, mit 65 Jahren, in Pension gehen. Gewählt als EKD-Ratsvorsitzender ist Huber aber bis 2009, sodass er zwei Jahre lang als Nichtbischof den deutschen Protestantismus repräsentieren müsste.
Der Rat der EKD bat deshalb die Berlin-Brandenburger, für Huber eine Sonderregelung zu treffen, damit er auch über das 65. Lebensjahr hinaus Bischof bleiben kann – solange er eben auch Ratsvorsitzender ist. Die Kirchenleitung, zu der Anneliese Kaminski gehört, hat ihr zufolge dem schon zugestimmt. Das Wort von der „Lex Huber“ macht die Runde. Die Wege des Herrn sind eben manchmal wunderbar. Selbst in einer EKBBS.