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Archiv-Artikel

Strompreise überhöht

Eon, RWE und Co. erhöhen ihre Preise mit dem Argument, der Ökostrom komme sie teurer. Umweltministerium widerspricht: Für diese Erhöhung gebe es „keinen Grund“

FREIBURG taz ■ Das Bundesumweltministerium hat heftige Kritik an den Stromversorgern geübt, die ihre Preise zum Jahreswechsel angehoben haben und diesen Schritt mit den Mehrkosten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) begründen. „Für die erneute Erhöhung der Umlage gibt es überhaupt keinen Grund“, erklärte jetzt ein BMU-Sprecher.

Das Spiel ist immer das gleiche: Für jede Strompreiserhöhung müssen die erneuerbaren Energien herhalten – und sei die Begründung noch so haarsträubend (siehe taz vom Mittwoch). In Wahrheit bereichern sich die Stromkonzerne derzeit massiv an den Erneuerbaren Energien: Die Übertragungsnetzbetreiber RWE, Eon, EnBW und Vattenfall Europe haben 2003 von den Verbrauchern fast eine halbe Milliarde Euro zu viel kassiert. Der Betrag sollte ursprünglich für die Förderung von Wind-, Wasser- und Solarstrom genutzt werden, wurde dann aber nicht ausgeschüttet, weil die Einspeisung von Ökostrom hinter den Prognosen zurückblieb.

Die Konzerne machen sich dabei das von ihnen so bekämpfte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zunutze. Dieses verpflichtet die Stromnetzbetreiber, für jede Kilowattstunde Ökostrom eine Vergütung zu bezahlen, die über dem Marktpreis liegt. Diese Mehrkosten können sie anschließend auf den Strompreis der Verbraucher umlegen.

Da die Stromwirtschaft die Mehrkosten aber für jedes Jahr aufgrund von Prognosen erhebt, kommt es nun zu erheblichen Differenzen. Für das Jahr 2003 hatte der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) eine Strommenge von 31,2 Milliarden Kilowattstunden prognostiziert, die nach EEG eingespeist werden sollte. Weil aber die Windkraft langsamer ausgebaut wurde als erwartet und zudem das Jahr 2003 ungewöhnlich windschwach und trocken war (was auch Wasserkraft reduzierte), wurden nur 25 Milliarden Kilowattstunden EEG-Strom erzeugt.

Die Stromwirtschaft hatte ihren Kunden im Jahr 2003 mit der so genannten EEG-Umlage 0,42 Cent je Kilowattstunde für die Förderung der erneuerbaren Energien in Rechnung gestellt. Faktisch wurden, wie sich nach Ablauf des Jahres zeigt, rund 0,1 Cent weniger benötigt. Die Differenz wird nun stillschweigend einbehalten. Was nach wenig klingt, summiert sich über alle Stromrechnungen zu fast 500 Millionen Euro auf.

Und die Branche zockt weiter ab. Statt den Überschuss von 2003 auf 2004 zu übertragen und die Umlage damit zu senken, hat der VDEW nun für das laufende Jahr sogar einen Betrag von 0,54 Cent errechnet. „Viel zu hoch“, beschwert sich Milan Nitzschke vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), „0,37 Cent Umlage reichen für 2004.“

Längst hat das BMU die Beobachtung gemacht, dass „den Berechnungen der Konzerne ohnehin keiner mehr glaubt“. Das zeigt auch ein Beispiel der EnBW: Der baden-württembergische Stromkonzern hatte im vergangenen Spätsommer seine Strompreiserhöhung durch die Ökostrom-Gesetze begründet. Die Erhöhung, so war in Zeitungsanzeigen zu lesen, werde verursacht „durch gestiegene Belastungen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz.“ Erst weiter unten erklärte die EnBW, dass sie „des Weiteren einen Teil der allgemeinen Kostensteigerungen“ weitergebe.

Konfrontiert mit der Tatsache, dass die Erhöhung um netto 0,8 Cent je Kilowattstunde niemals durch die Ökogesetze verursacht sein kann, ruderte EnBW-Sprecher Dirk Ommeln zurück: „Wichtigster Grund für die Preisanpassung sind die gestiegenen Beschaffungskosten für den Strom“, gab er zu. Das sei unstrittig und auch an anderer Stelle korrekt dargestellt: (...) So wurde offenkundig, was die Anzeige, die eine Leserzahl in Millionenhöhe erreichte, bezwecken sollte: Stimmung machen gegen Ökostrom. BERNWARD JANZING