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Archiv-Artikel

Keine Entschuldigung, keine Entschädigung

Die Bundesrepublik erkennt „Verantwortung für die Kolonialgeschichte“ an. Mehr nicht. Die Herero klagen Wiedergutmachung ein

BERLIN taz ■ Auf zwei mal zwei Milliarden Dollar haben die Herero den Staat Deutschland und drei Unternehmen verklagt, die vor hundert Jahren daran beteiligt waren und davon profitiert haben, dass deutsche Truppen die Mehrheit des Volkes der Herero töteten, ihnen ihr Land, ihr Vieh und ihre Rechte nahmen. Was den jüdischen Zwangs- und Sklavenarbeitern gelang, sollte den Herero auch möglich sein, hofft der Kläger, Herero-Chief Kuaima Riruako.

Angeklagt waren zunächst die Deutsche Bank, damals marktbeherrschend in „Deutsch-Südwest“, sowie die Schifffahrtsgesellschaft Deutsche Afrika-Linie, damals Woermann-Linie, und der Eisenbahn- und Straßenbauer Terex. Bei der Woermann-Linie, mehr noch bei Terex ist etwas unklar, inwiefern die heutigen Firmen als Nachfolger der 1904 in Namibia tätigen Unternehmen beklagbar sind. Daher konzentrieren sich die Herero-Anwälte auf die Deutsche Bank. „Im Frühjahr wird das Gericht in Washington entscheiden, ob die Klage gegen die Deutsche Bank dort verhandelt werden kann“, erklärt Philip Musolino von der Washingtoner Kanzlei Musolino and Dessel.

Die Klage gegen die deutsche Regierung haben die Anwälte dagegen vorerst zurückgezogen. Das US-Außenministerium, sagt Musolino, wolle erst mit dem deutschen Außenministerium klären, welche Folgen ein Prozess der Herero gegen Deutschland hätte. Die Antwort ist schon klar: Ein Prozess wäre nicht nur ein juristisches, sondern ein politisches Problem. Immerhin hängt an der Zulassung der Herero-Klage die Frage, ob ehemals kolonialisierte Völker Ansprüche gegen die ehemaligen Kolonialmächte haben. Die Bundesregierung ist der Meinung, dass sie nicht für die Gräueltaten des General von Trotha haftbar zu machen ist, und verweist darauf, dass sie Nambia mehr Entwicklungshilfe pro Kopf zahlt als irgendeinem anderen afrikanischen Land. 500 Millionen Euro sind seit Namibias Unabhängigkeit 1990 an staatlicher und privater Entwickungshilfe geflossen, erklärt das Auswärtige Amt.

In rhetorischen Qualen winden sich deutsche Politiker, wenn sie formulieren sollen, wie unser Staat zu dem Unrecht steht, das den Herero angetan wurde. So verweist Außenminister Joschka Fischer zwar auf „eine besondere Beziehung aufgrund unserer Verantwortung für die Kolonialgeschichte.“ Entschuldigen will er sich aber nicht: „Ich kann keine Äußerung vornehmen, die entschädigungsrelevant wäre“, erklärte Fischer im Oktober in Windhoek.

Wissenschaftler in Deutschland unterstützen zwar den moralisch-politische Wunsch der Herero nach einer Entschuldigung, einer Klage stehen die meisten jedoch skeptisch gegenüber. Der Freiburger Jurist Jan Grofe findet, dass die rechtliche Grundlage der Herero-Klage äußerst schmal sei. Das Völkerrecht habe 1904 die Verbrechen noch nicht gekannt, deren die Herero die Deutsche Bank bezichtigen: Völkermord, Sklaverei, Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren noch keine justiziablen Tatbestände. Grofe sagt jedoch: „Wenn es in diesem Jahr verstärkten öffentlichen Druck gibt, werden sich die amerikanischen Richter schwerer tun, die Klagen abzuweisen.“ Möglich wäre immerhin, dass es ähnlich wie bei den jüdischen Zwangsarbeitern einen außergerichtlichen Vergleich gebe.

Was die Frage anbelangt, ob die Bundesregierung mit dem Wort „Entschuldigung“ sich selbst anklagen und damit einen Prozess wahrscheinlicher machen würde, meint Herero-Anwalt Musolino: „Eine derartige Äußerung würde sicherlich nicht als Beweis in einem Verfahren gegen Deutschland genutzt werden.“ ULRIKE WINKELMANN