: Warten auf den Boom
Der Frauen-Fußballclub (FFC) Brauweiler hofft auf öffentliches Interesse – und auf sportliche Genesung. Nach dem Karriereende von Weltmeisterin Bettina Wiegmann geht es gegen Abstieg
VON INGO PETZ
Am Horizont der Nacht leuchten McDonalds und Aral. Der Sportplatz am Rande von Brauweiler erweckt unter Flutlicht den Eindruck eines grünen Ufos in einer anderen Wirklichkeit. Es ist eiskalt, es regnet. Ein Schild am Eingang: Dauerkarte 60 Euro. FFC Brauweiler-Pulheim 2000 e.V. Die Hoffnung hat hier einen Namen. Der Frauen-Fußball-Club steht zwar nach der Hin-Serie der Bundesliga auf dem vorletzten Platz, „aber die Wende kommt bestimmt.“ Und im Viertelfinale des Pokals geht es gegen den FSV Frankfurt. „Da haben wir eine gute Chance. Die Moral ist gut.“ Und mit dem neuen Trainer und den sieben genesenen Rückkehrerinnen hätte die Mannschaft am Ende durchaus Chancen auf einen Mittelplatz. All das sagt Sonja Fuss. Sie sagt das gewandt, ein bisschen wie auswendig gelernt. Sie ist Weltmeisterin aus der „Mannschaft des Jahres“ von Trainerin Tina Theune-Meyer. Die lebt nebenan in Frechen und hat in den 70ern für den Aufbau in Brauweiler gesorgt.
Bei Brauweiler ist Fuss die Abwehr-Größe. Sie legt ihr rechtes Bein auf die Absperrung, dehnt und streckt sich. Es ist Trainingsauftakt. Ein Fan ist gekommen. Wo ist der Boom geblieben? „Es gibt ihn, definitiv“, fährt Fuss fort. Aber den sehe man nicht immer. Der Sport habe in zehn Jahren eine wahnsinnige Entwicklung gemacht. Zeiten, in denen es als Gewinn ein Kaffee-Service wie 1989 für die Europameisterinnen gab, sind vorbei. Nur oft fehle die Aufmerksamkeit der großen Medien, die „wir uns längst verdient haben“. Fuss sagt das mit Nachdruck. „Bei uns gibt es halt kaum Sensationen.“ Aber Titel: Nachdem das Frauenfußballverbot 1970 aufgehoben worden war, entwickelte sich Brauweiler zu einem der stabilsten und erfolgreichsten Vereine. 1990, 1994, 1997 DFB-Pokalsieger, 1997 Deutscher Meister, damals noch als Grün-Weiß Brauweiler. Seitdem stagniert die sportliche Entwicklung. Obwohl der Verein mit Maren Meinert und Bettina Wiegmann Spielerinnen hervorgebracht hat, die bereits in der US-Liga kickten.
Rekord-Nationalspielerin Wiegmann hat gerade ihre Karriere beendet und trainiert nun die Auswahlmannschaften für den Verband Mittelrhein. „Die ist ein echtes Brauweiler-Gewächs“, sagt Werner Fuss, Vater von Sonja und zweiter Vorsitzende des Vereins. „Sie wird sicher eine gefragte Trainerin.“ Und der Boom? „Ich habe vom Vorstand erfahren, dass sich viele kleine Mädchen angemeldet haben, seit der WM.“ Wie viele könne er nicht sagen, aber die Nachfrage sei groß. Einfach ist es nicht in der Topsport-Region Köln, weder für den Fußball, noch für die Fans. Bayer, der 1. FC, Gladbach, wer die Wahl hat die Qual. Und wer geht da schon zum FFC? „Die Brauweiler kommen immer. Radio Erft berichtet sogar live von den Spielen. Und im Stadt-Anzeiger gibt es mittlerweile auch einen kleinen Bericht, anstatt nackter Zahlen. Wir sind optimistisch.“
Durchschnittlich kommen rund 200 Zuschauer in die Donatusstraße. Wenn es regnet 40. Wenn die Sonne scheint, sind es schon mal 700. Wenn Frauen Weltmeisterinnen werden, kommen 1.500. „Das war wie Weihnachten im Oktober“, sagt Werner Fuss. „Aber uns fehlt immer noch die Werbung, um Zuschauer zu locken. Wenn Sponsoren interessiert sind, dann fragen die zuerst, wo die Spiele denn zu sehen seien.“ Auf der Lokalseite des Stadt-Anzeigers, sagt Fuss dann und er weiß, dass er so kein Geld sieht. Er selbst glaubte noch 1994, dass Frauenfußball in fünf Jahren ein Halbprofitum erreicht haben könnte. Heute weiß er: „Es wird wahrscheinlich noch zehn Jahre dauern.“ Und die WM, hat die nicht geholfen? „Ja, schon. Nur neue Sponsoren stehen nicht Schlange.“ Der Aufschwung lässt auf sich warten. Nichts Neues in Deutschland.
Die Etats der Vereine sind so klein, dass das Wort Etat irgendwie komisch klingt. Man denkt an die Bayern, den BVB, an Assauer, Aktien und Beckham. In Deutschland kann keine Frau vom Fußball leben. Nationalspielerinnen kriegen Sporthilfe. Alle anderen eine Aufwandsentschädigung oder ein bisschen mehr. „Ja, irgendwann kommt das mal“, sagt Sonja Fuss. Das wäre sicher gut. Für sie selbst sei das kein Traum mehr. Sie wolle lieber als Architektin arbeiten. Denn der Aufwand ist enorm. „Und den kann man nur mit Idealismus bewältigen.“ Das heißt: Viermal Training die Woche, Samstag oder Sonntag Spiele in Potsdam, München oder Hamburg. Dazu Pokal oder internationale Wettbewerbe. Freizeit? Fehlanzeige!
Auch für Trainer Peter Angenendt. Er sitzt am Spielfeldrand und beobachtet die Runden der Studentinnen, Erzieherinnen oder Kauffrauen. Er ist Sportlehrer und hat unter Erich Rutemöller den A-Schein gemacht. „Als Retter“ kam er gerade vom Regionalligisten Bad Neuenahr nach Brauweiler. Über sein neues Bundesliga-Engagement sagt er: „Über Geld redet man ja nicht. Aber ich muss nichts drauf legen.“ Es gehe ihm tatsächlich um den Sport. „Wirklich!“ Er sagt das, als komme ihm das doch sehr unwirklich vor.