: Brunsbüttel comes back
Trotz Protesten sieht Ministerium keinen Grund, den erneuten Betrieb des Reaktors hinauszuzögern. Umweltverbände zweifeln an der Zuverlässigkeit des Betreibers
Der Atomreaktor Brunsbüttel geht wieder ans Netz. „Wenn nichts Gravierendes passiert, werden wir die Wiederanfahrgenehmigung im März erteilen“, erklärte der Kieler Energiestaatssekretär Wilfried Voigt gestern gegenüber der taz. Da die Probleme im Zusammenhang mit einer Wasserstoffexplosion im Dezember 2001 „abgearbeitet“ seien, sieht die Schleswig-Holsteinische Aufsichtsbehörde des scheidenden Energieministers Claus Möller (SPD) keine Möglichkeit mehr, das Wiederanfahren des Reaktors weiter hinauszuzögern. Im Falle der Nichterteilung der Genehmigung befürchtet sie Schadensersatzforderungen des Kraftwerks-Betreibers in Millionenhöhe.
Die Umweltverbände sehen das naturgemäß anders. Bettina Dannheim, Energiereferentin von Robin Wood fordert das Energieministerium auf, die Anfahrgenehmigung nicht auszusprechen, bevor das Bundesumweltministerium und die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit weitere Sicherheitsprüfungen des Atommeilers durchgeführt habe. Zudem hat die Umweltorganisation im Gegensatz zur Aufsichtsbehörde massive „Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betreibers“. Auf der gestrigen Sondersitzung des Umweltausschusses des Kieler Landtags hätten diese „den schweren Wasserstoffunfall in einer unverantwortlichen Form heruntergespielt und verniedlicht“.
Ein vom Ministerium zur Umweltausschusssitzung vorgelegter „aktueller Bericht zum Kernkraftwerk Brunsbüttel“ weist nach Ansicht des Kieler BUND darauf hin, das „der Faktor Mensch in der Atomtechnologie in bislang ungeahntem Ausmaß unterschätzt“ wurde. „Geradezu unglaublich ist die dokumentierte mangelhafte Fachkompetenz der Mitarbeiter des Reaktors“, klagt die BUND-Landesvorsitzende Sybille Macht-Baumgarten: „Jeder ordentliche Handwerksbetrieb ist besser organisiert.“
Die in Aussicht gestellte Wiederanfahrgenehmigung verleitet den Bundesverband der Christlichen Demokraten gegen Atomkraft (CDAK) zu harten Angriffen gegen Energieminister Möller. Der erklärte Atomkraftgegner sei in Wirklichkeit „ein nuklearer Triebtäter und Schein-Heiliger, der seit Jahren unter Missachtung seines Amtseides“ agiere. Die Vereinigung von 800 in der CDU/CSU organisierten Atomkraftgegnern, die in ihrer Erklärung kein Wort über den strikten Pro-Atomkurs ihrer Partei verlor, will dem 60-Jährigen Behördenchef nun an den Kragen: „Energieminister Claus Möller rausschmeißen!“, lautet ihre Forderung an Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD).
Der Appell kommt ein klein wenig spät. Am 28. Februar geht der dienstälteste Landesminister Schleswig-Holsteins auch ohne die Hilfe der CDAK in den Ruhestand. MARCO CARINI