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Archiv-Artikel

Pfand auf Professuren

Wissenschaftssenator Dräger setzt Fachbereich unter Fusionsdruck: Dem Dohnanyi-Bericht nach sollen drei Professuren der Soziologie und eine der Politik unbesetzt bleiben, obwohl das damit geplante Exzellenzzentrum noch von Dräger gelobt wurde

von KAIJA KUTTER

Wird es in Hamburg in Zukunft noch eine Soziologie geben? Dies steht nach dem Bericht der Dohnanyi-Strukturkommission in Zweifel. Im Zuge der Zusammenlegung von HWP und dem Fachbereich Wirtschaft der Universität hatte Klaus von Dohnanyi gar angeregt die „universitäre Soziologie zu schließen“ oder Politik und Soziologie jeweils stark zu schrumpfen. Auf jeden Fall aber soll der Fachbereich 05, der auch die von Dohnanyi für überflüssig erklärte Journalistik beherbergt, in der neu zu gründenden „Hochschule für Wirtschaft und Politik“ aufgehen. Wissenschaftssenator Jörg Dräger plant bis zum Ende des Sommers einen Dekan einzusetzen, der die Hochschule gründet.

Mit einem geschickten Schachzug wird der Fachbereich nun gezwungen, bei dem Spiel mitzumachen. Eigentlich müsste die Wissenschaftsbehörde dieser Tage der Berufung von vier C4-Professuren zustimmen, die ein neu gegründetes interdisziplinäres Exellenzzentrum „Globalisierung und Governance“ am Fachbereich 05 leiten sollen. Doch der Ex-Bürgermeister schlug in seinem Bericht vor, diese Berufungen auszusetzen. Wissenschaftssenator Dräger, der das geplante Exellenzzentrum mehrfach öffentlich lobte, folgt nun diesem Wink und behält die Professuren als Pfand ein. Erst wenn es eine Vereinbarung von Eckpunkten zur Integration mit der HWP gibt, wird über die Berufung entschieden. In der Folge ist der Fachbereich 05 nun gezwungenermaßen am meisten an Tempo interessiert, obwohl dieser die Fusion am wenigstens will.

„Wir stehen unter enormem Zeitdruck. Man kann diese Berufungsliste nicht beliebig lange liegen lassen“, sagt der Dekan der Sozialwissenschaften, Michael Th. Greven. Der Fachbereich habe sich bemüht, „erstklassige junge Leute“ auf die ersten Plätze zu bekommen. „Die sind auf dem kleinen Markt fast überall im Gespräch“. So habe ein Kandidat bereits einen Ruf an eine andere Uni erhalten.

„Wenn man uns schon diese Integration mit der HWP und den Wirtschaftswissenschaften aufzwingt, muss es eine Maxime der Qualitätssicherung geben“, sagt Greven, der eine „Verfachhochulung“ der universitären Studiengänge fürchtet, die nur noch an der Qualität der Lehre und nicht mehr an der der Forschung gemessen wird. Zudem drohten Politik und Soziologie angesichts der Übermacht der Betriebswirtschaft ein „Anhängsel“ zu werden, das nur noch als Nebenfach der Ökonomie dient.

Die Nichtberufung „zerstört den kurz vor dem Erfolg stehenden inneren Reform- und Profilierungsprozess der Sozialwissenschaften“, heißt es in der Resolution des Fachbereichs 05.

So hatte sich das Institut für Soziologie vor zwei Jahren extern evaluieren lassen. Damals waren drei der acht Soziologie-Lehrstühle nicht wieder besetzt worden. Das Ergebnis waren „gewisse Mängel“ wie Politik-Professor Greven berichtet. Um einen qualitativen Sprung nach vorn zu schaffen, entschied der Fachbereich die Lehrstühle zusammen mit einer vierten Politik-Professur „im Paket“ zu berufen und die Bewerber von den renommierten auswärtigen SoziologInnen Friedhelm Neidhardt, Fritz W. Scharpf und Beate Kohler-Koch begutachten zu lassen. „Es wurde besonders auf die Qualität in der Forschung geachtet“, berichtet ein Kommissionsmitglied. Bis die über 200 Bewerbungen abgearbeitet waren, dauerte es ein Jahr. Das Ergebnis ist auch für die Uni-Frauenbeauftragte Gabriele Löschper eine kleine Sensation: drei der vier Erstplazierten sind Frauen. Es besteht also nebenbei die Chance, den immer noch viel zu geringen Professorinnenanteil von 14 Prozent zu erhöhen.

In der Wissenschaftsbehörde hält man die Kopplung der Entscheidungen für einzig sinnvoll. „Wir können nicht so tun, als gebe es den Dohnanyi-Bericht nicht“, erklärt Sprecherin Sabine Neumann. Dennoch seien die Berufungen ein „Prioritätsthema“ über das in „unmittelbarer Zukunft“ entschieden werde.

So führe Senator Dräger nicht nur Gespräche mit dem Fachbereich, sondern auch mit den vier Berufenen selber. Neumann: „Die Kandidaten müssen nicht bis zum Sommer warten“. Die Fusion dann wohl auch nicht.