piwik no script img

Archiv-Artikel

Bei Beck‘s Angst vorm Kerngeschäft

Die Bier-Globalisierung kommt zu den Bremer Brauern: Nach ersten Sparschritten schwant dem Betriebsrat, dass das für die Interbrew-Konzernherren nur der Anfang weiterer Einschnitte ist. Die Verhandlungen um die Auslagerung von 150 Logistikern dürften hart werden

„Alles steht auf dem Prüfstand“, hatte Chef Dieter Ammer immer wieder gesagt

taz ■ „To have lunch or to be lunch“ – dieses launige Bonmot aus der Sprichwortkiste des Neoliberalismus grassiert derzeit auch bei Beck & Co. „Gefressen oder gefressen werden“ – damit könnte die deutsche Tochter des belgischen Bierriesen Interbrew eines nicht allzu fernen Tages versuchen, ihre Mitarbeiter auf weitere schwere Einschnitte einzuschwören. „Alles steht auf dem Prüfstand“, hatte Dieter Ammer, der scheidende Chef der Bremer Brauer, immer wieder gesagt, nachdem Beck‘s Anfang vergangenen Jahres von Interbrew, der Nummer 2 auf dem Weltmarkt, geschluckt worden war.

Ammer handelte: 1,6 Millionen Euro wollen die Konzernherrn bei den 150 Beck‘s und 50 Diebels-Logistikern jährlich einsparen, indem die Gabelstapler- und Brummifahrer in eine neue Firma ausgegliedert werden. So drohen Einkommensverluste um die 600 Euro pro Monat und Nase. Betriebsrat und Gewerkschaft schwant, dass das nur der Anfang ist. Interbrew hat 34.000 Mitarbeiter – viele dürften bedeutend weniger verdienen als die Bremer.

Einerseits befürchten die Arbeitnehmervertreter, dass der derzeit noch gesuchte neue Ammer-Nachfolger nicht mit Geschenken für die Belegschaft um sich werfen dürfte. Andererseits geht es darum, was eigentlich genau das „Kerngeschäft“ ist, auf das Interbrew sich weltweit konzentrieren will: Die Belgier nennen sich „The world‘s local brewer“ – es geht ihnen also ums Bierbrauen: Damit sind bei Beck & Co. in Bremen derzeit weniger als 300 der derzeit noch 1.400 Mitarbeiter befasst.

Also fragt sich die Belegschaft: Wer ist nach den Logistikern dran? Der Beck‘s-Shop? Die Pförtner? Die Handwerker? „Wenn wir uns bei den Logistikern ohne Widerstand ergeben, können wir davon ausgehen, dass weitere Auslagerungen folgen“, sagt Betriebsrat Günter Schäfer. Und, mit leicht drohendem Unterton: „In den 20 Jahren, die ich hier arbeite, hat es keinen Streik bei Beck‘s gegeben.“

Trotz des gut dotierten Beck‘s-Tarifs geht es Interbrew mit seiner neuen Bremer Filiale offenbar glänzend. Der Absatz entwickelt sich gut: Im Jahr 2002 plus 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit den ebenfalls von Bremen aus gemanagten Marken Diebels, Gilde und Hasseröder und einem Gesamtausstoß von 11 Millionen Hektolitern ist Interbrew Deutschland derzeit die Nummer eins auf dem Markt. Und: Mit 2,5 Millionen Hektolitern Bierausfuhr ist die Brauerei Beck & Co. immer noch deutscher Exportmeister. Alles läuft so gut, dass sogar Folgendes durch die Branche munkelt: Der Durst der Belgier könnte so groß sein, dass sie bei der deutschen Nummer 2, der Holsten-Gruppe (Holsten, König, Feldschlösschen, Licher), einsteigen.

„Egal, was wir hier denken: die Musik wird woanders gemacht“, erklärt Konzernsprecher Wolfgang Schillinger die Regeln der Bier-Globalisierung. Die Situation der Bremer Logistiker sei noch günstig. Schillinger: „In England hat Interbrew 1.500 Logistiker an eine konzernfremde Firma vergeben.“ In Bremen sollten sie immerhin im Konzern verbleiben. Ansonsten verweist auch er darauf, dass es keine Pläne für weitere Einsparungen bei Beck‘s gibt.

Bonmot bei Beck’s: „To have lunch or to be lunch“ – „Fressen oder gefressen werden“

Wolfgang Döding von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist klar, dass man den „Laden in sieben, acht Teile zerlegen kann“. Und auch er sieht „die unausgesprochene Drohung: Wir sourcen aus und tschüss.“

Genau deshalb seien die laufenden Verhandlungen wichtig. Vor allem komme es darauf an, die Jobs der Logistiker in der neuen Firma dauerhaft zu sichern. Döding: „Wenn ich schon gezwungen bin, einen schlechteren Vertrag auszuhandeln, sollen die, die rübergehen, wenigstens nicht ratzfatz gefeuert werden können.“ Kai Schöneberg