Jedes Instrument ein Feind

Im Museum der eingebildeten Tiere: Im Knaack stolpern Pram durch die Rhythmen

England liebt Krautrock. Erst kürzlich, bei der diesjährigen Echo-Verleihung, mussten Can minutenlange englische Lobhudeleien ertragen. Blur-Sänger Damon Albarn hob in einer Video-Einspielung Czukay, Liebezeit und den verstorbenen Karoli in den Olymp. Schon in den Neunzigern war man auf der Insel von den Deutschen und ihren dollen Experimenten mit Synthesizern, Effekten und Beats sehr angetan. Julian Cope, der alte Neo-Shamane, schrieb ein Buch über Krautrocker, und eine Reihe von Bands versuchte, das nach Madchester und Shoegazer-Rock entstandene Vakuum im Indieland mit einer Art Krautpop zu füllen: mit vertracktem anti-schwelgerischen Traumpop. Die Bands hießen Moonshake oder Laika, Stereolab oder Broadcast oder Pram, und ihr Hauptquartier war das Londoner Label Too Pure.

Die meisten dieser Bands gibt es nicht mehr oder sie werkeln unbeachtet vor sich hin. Lediglich Stereolab konnten sich behaupten und gelten heute noch als Prototyp für diesen Sound. Auch die aus Birmingham stammenden Pram werden gern versehen mit dem Sticker: „So ähnlich wie Stereolab“. Vielleicht weil beide Gruppen eine Sängerin haben. Viel mehr eint sie aber nicht. Denn die 1990 gegründeten Pram halten im Gegensatz zu Stereolab das Komplexitätslevel gleichbleibend hoch. Für sie ist jedes Instrument seinesgleichen Widersacher. Dazu stolpern sie gern mit Trompete, Sampler und Keyboards durch 7/8-Rhythmen. Immerhin haben sie auf ihrem neuen Album „Dark Island“ ihre Kopflastigkeit etwas hinten angestellt und sich ihrer tollen Konzerte erinnert, bei denen sie vielleicht ein paar Drogen zu viel genommen hatten. Stellt man sich „Dark Island“ als Bild vor und baut ein „Museum Of Imaginary Animals“ (Titel des letzten Albums) hinein, wird die Pram-Welt gut vorstellbar. Sängerin Rosie Cuckston singt mehr und künstelt weniger als zuvor in ihrem Sopran, über die Spur der Katze, Papierhüte und entlegene Inseln. Auch die Trompete, die nachtaktiven Synthesizer und die zum Mond lugenden Vibrafone klingen weniger denn je wie Can. Pram machen jetzt einfach: Vertonen die Ecriture automatique und lassen selbst Wörter wie „Sahnetorte“ stehen.

CHRISTOPH BRAUN

Heute ab 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Allee 221, Prenzlauer Berg