: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„Man versucht, das Beste zu machen, und am Ende ist doch alles umsonst.“ Meint zumindest Albert (Ake Grönberg), der Direktor des Zirkus Alberti, in Ingmar Bergmans „Abend der Gaukler“ (1953). Lustig geht es in der Manege also nicht zu, eher im Gegenteil: Bergman beschreibt das Leben am Beispiel der fahrenden Artisten als eine fortgesetzte Serie von schrecklichen Demütigungen. Die Zirkusleute werden verachtet, sie stehen auf der untersten Stufe der Gesellschaft, gleich neben den Herumtreibern und Strauchdieben. Zudem haben sie kein Geld, die Kostüme sind gepfändet, und das Ungeziefer könnte man zur Menagerie versammeln. In einer feinen Szene verdeutlicht Bergman die Hierarchie der Künste: Da kommt Albert mit der Bitte, Kostüme zu leihen, zum Theaterdirektor, der ihn schwer beleidigt und die Erklärung dafür auch gleich mitliefert. Verachtet würden die Schauspieler schließlich auch, meint er, doch während die Zirkusleute in schmutzigen Wohnwagen hausen würden, lebten die Theatermenschen wenigstens in schäbigen Hotelzimmern.
Die gesellschaftlichen Demütigungen überträgt Bergman schließlich auf die persönliche Situation seiner Protagonisten: Das reicht vom Spott, den der Clown Frost (Anders Ek) erfahren muss, als seine Frau ein Nacktbad mit Soldaten nimmt (die Szene ist eine Rückblende, inszeniert als eine Mischung aus Stummfilm-Reminiszenz und Albtraum), über die „Spielchen“, die Alberts Geliebte Anne (Harriet Andersson) und der Schauspieler Frans (Hasse Ekman) miteinander treiben, bis zur abschließenden Demütigung des eifersüchtigen Albert durch Frans in der Manege vor versammeltem Publikum. Und Bergman zeigt auch: Es gibt immer noch eine Kreatur, die noch wehrloser ist als man selbst. Wenn Albert schließlich zur Pistole greift, aber nicht den Mumm hat, sich selbst zu töten, dann erschießt er eben den Zirkus-Bären. Das Leben – wie miserabel es auch immer sein mag – geht weiter, und die ruhige Bürgerlichkeit, die Alberts von ihm getrennt lebende Frau als kleine Ladenbesitzerin verkörpert, bleibt nur eine unerreichbare Illusion.
„Abend der Gaukler“, 27. 2., im Filmkunsthaus Babylon 2
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Wie man es definitiv nicht machen sollte, führen der ZDF-„Zeitgeschichtsexperte“ Guido Knopp und seine Adepten im Fernsehen immer wieder vor: Da vermengt man Ausschnitte aus den immergleichen Nazi-Wochenschauen und Kulturfilmen mit ein paar Interviews (und wo es kein Material gibt, da inszeniert man sich halt selbst welches), verengt die historische Perspektive auf einige wenige Personen („Hitlers Generäle“, „Hitlers Frauen“ etc.) und banalisiert und trivialisiert, wo immer es nur geht. Das Dritte Reich gerät zur leicht verdaulichen Unterhaltung zum Feierabend: Onkel Adolfs kleines Gruselkabinett.
Natürlich ist der Umgang mit den „Filmdokumenten“ der Nazis problematisch – wurden sie doch nahezu ausschließlich mit dem Zweck der Verherrlichung eines diktatorischen Regimes gedreht. Wie also kann man diese Bilder zusammenstellen und montieren, wie kann man der Propaganda etwas entgegensetzen? Gescheitert sind dabei zumeist jene Regisseure, die auf eine vermeintliche Stärke des Kommentars bauen. Denn das Wort ist den Bildern fast immer unterlegen: Gelegentlich einzuflechten, dass die Nazis keine netten Leute waren, reicht nicht.
Den vielleicht interessantesten Versuch mit einem Kommentar unternahm der sowjetische Regisseur Michail Romm in seiner Dokumentation „Der gewöhnliche Faschismus“ (1965): Romm vermeidet von vornherein eine wie auch immer geartete „Objektivierung“ und kommentiert stattdessen aus persönlicher Sicht – oftmals mit bitterem Sarkasmus. Zudem analysiert Romm die Inszenierungsstrategien der Nazis und interessiert sich eher für die Art, wie etwas vermittelt wird, als für die konkreten Inhalte. Oft sucht Romm nach dem Lächerlichen in den pompösen Inszenierungen des Dritten Reichs und verdeutlicht und ironisiert dies beispielweise durch ständige Wiederholungen desselben Filmausschnitts. Bei alledem geht es dem Regisseur vor allem um die Frage, warum Menschen einer totalitären Ideologie verfallen. Und da war man in der Sowjetunion schließlich Experte: Romm hatte auch schon unter Stalin gearbeitet.
„Der gewöhnliche Faschismus“ 2. 3.–3. 3. im Filmkunsthaus Babylon 1
LARS PENNING