: Grüne hauen und stechen in Frechen
In Frechen streiten Ortsverband und Fraktion der Grünen mit harten Bandagen über die Aufnahme neuer Mitglieder. Denn beide Seiten wollen bei der Listenaufstellung für die Kommunalwahl im kommenden September ihre Kandidaten durchsetzen
VON SUSANNE GANNOTT
Eine Massenpartei sind die Grünen nie gewesen. Auch in Frechen bei Köln kommen auf 48.000 Einwohner gerade 22 Mitglieder. Grund genug, sich über jeden Neuzugang zu freuen – sollte man meinen. Doch ein Kleinkrieg zwischen Ortsverband und Ratsfraktion verhindert seit über einem halben Jahr die Aufnahme von Neu-Grünen.
Die Provinzposse begann vor einem Jahr, als der CDU-dominierte Frechener Stadtrat aus formalen Gründen ein Bürgerbegehren ablehnte, mit dem SPD, Grüne und die sozialistischen Falken erreichen wollten, dass der Habelrath e.V. weiterhin Träger eines Jugendzentrums bleibt. Darauf entbrannte unter den Initiatoren des Bürgerbegehrens ein Streit: Sollte man den Ratsbeschluss vor Gericht anfechten? SPD und Falken waren ebenso dafür wie die Fraktion der Grünen. Der grüne Ortsverbandsvorsitzende Hans Peter Schumacher, einer der drei „Vertrauenspersonen“ des Bürgerbegehrens, hielt die Sache dagegen für aussichtslos – und zog nicht mit. Damit habe er die Klage im Prinzip verhindert, sagt Fraktionssprecher Karl-Walter Böhnke, denn dafür hätten alle drei Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens mitziehen müssen. Das sei ihm anders gesagt worden, kontert Schumacher. Er habe jedenfalls der Sache selbst nicht Schaden wollen.
Die grüne Fraktion fühlte allerdings ureigenste Parteiinteressen verraten und stellte im Ortsverband den Antrag, Schumacher aus der Partei auszuschließen. „Das war ein absoluter Vertrauensbruch, der die politischen Differenzen allzu deutlich gemacht hat“, begründet Böhnke den drastischen Schritt. Der Ortsverband hielt jedoch zu Schumacher und lehnte ab – jetzt war der Kampf in vollem Gange. Die drei Vorstandsmitglieder nahmen nicht mehr an den Sitzungen der zweiköpfigen Fraktion teil. „Stattdessen formulierte Schumacher Anträge für die CDU-Fraktion“, empört sich die grüne Fraktionsgeschäftsführerin Ina Falke gegenüber der taz.
In dieser verfahrenen Situation flatterten den Frechener Grünen im Sommer letzten Jahres neun Aufnahmeanträge ins Haus. Die meisten ließ der Vorstand erst einmal liegen. Im Oktober schließlich erklärte er, wegen der „aktuellen Situation in Frechen“ könne er nicht über die Anträge entscheiden und verweise sie daher an den Kreisvorstand. Der lud die Antragsteller für den 10. Dezember, immerhin ein halbes Jahr später, zu einer Vorstandssitzung ein. Zum anberaumten Termin erschien jedoch nur eines der potenziellen Mitglieder. Der Rest hat bis heute keinen Mitgliedsausweis.
Für die Fraktion ist dieses „Ping-Pong-Spiel“ zwischen Ortsverband und Kreis „parteischädigend“: Da würden engagierte Leute, die Interesse an den Grünen hätten, selektiv behandelt und in „undemokratischer Weise“ hingehalten, empört sich Böhnke. Er und die Fraktion wittern dahinter ein „Politikum“: Schumacher missbrauche seine Position, um die Mehrheit der Stimmen im Ortsverband zu behalten. Offensichtlich solle die bisherige Fraktion bei der am 22. Januar anstehenden Listenwahl für die Kommunalwahl ausgebootet und durch Schumacher-Getreue ersetzt werden. Vorsitzender Schumacher dagegen weist den Vorwurf der Verschleppungstaktik weit von sich. Die Sommerferien und zahlreiche Misstrauensanträge gegen den Vorstand des Ortsverbands hätten die Sache verzögert. Trotzdem „wurden alle satzungsgemäß behandelt“, versichert er der taz. Er verstehe die ganze Aufregung nicht: Beim letzten Gespräch mit Axel Reifferscheid von der Fraktion habe doch schon wieder eine „friedliche Atmosphäre“ geherrscht.
Allerdings hatte der Kreisvorstand noch im Dezember Ina Falke sogar mit Parteiausschluss gedroht, weil sie sich in „Mitgliederangelegenheiten“ mische, „deren Befassung Fraktionen gesetzlich untersagt ist“. Auch der Umgang des Ortsvorsitzenden mit zwei anderen Mitgliedsanträgen vom letzten Juni gibt der These vom verdeckten Machtkampf gegen die Fraktion weiter Nahrung. In beiden Fällen hatte der Vorstand die Anträge mit der Begründung abgelehnt, er sehe „keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und bezweifelt, dass unsere grüne Programmatik vertreten wird.“ Nun arbeitet aber einer der Betroffenen schon seit Jahren aktiv als sachkundiger Bürger in der Fraktion mit. „Der Andere war vorher bei den Falken und ist inzwischen bei der SPD“, erzählt Böhnke.
Neue Mitglieder sind also vorerst nicht in Sicht. Die Fraktion ist daher wenig optimistisch, den Showdown am 22. Januar zu gewinnen – und der Fraktionssprecher droht schon mal vorsorglich mit „Konsequenzen“. Den Ball gibt Schumacher gleich wieder zurück: Der Gang an die Öffentlichkeit werde die Mitglieder im Ortsverband sicher „nicht erfreuen“. Wieder fällt das unschöne Wort „parteischädigend“: Das könnte weitere Parteiausschlussverfahren bedeuten.