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Archiv-Artikel

Theorie ...

Linke Aktivisten treffen sich im Namen von Rosa Luxemburg zur einer Art Themenmesse Ost. Die USA sind dort böse, die DDR und Klassenkämpfe in Lateinamerika gut. Die Revolutionäre pflegen ordinäres Staatsdenken

VON HELMUT HÖGE

„Die Linien der Stärke und der Schwäche herausarbeiten – eine topografische und geologische Aufnahme der Schlacht machen!“ (Michel Foucault)

Die nach der Wende als flankierende Maßnahme zur „Rosa-und-Karl-Demo“ initiierte Konferenz ist eine Art Themenmesse Ost – unter völliger Abwesenheit der Westpresse. Organisiert wird sie von Cuba Si, der jungen Welt und der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde. Für sie, die GBM, saß der Bundeswehr-Flottenadmiral Elmar Schmähling auf dem Podium: „Ich habe spät, aber nicht zu spät den wahren, imperialistischen Charakter von USA und Nato erkannt“, sagte er.

Überhaupt kam die US-Politik gar nicht gut weg in den Diskussionen und Vorträgen, die zwar unter dem Motto weltweit „Die Revolution verteidigen“, standen, aber sich auf Lateinamerika konzentrierten – und in die Gründung eines Venezuela-Solidaritätskomitees mündeten.

Von dort war die Umweltministerin des Kabinetts, Chávez, Ana Granado, angereist. Und ihre von Applaus begleitete Rede, die sich als einzige explizit auf Rosa Luxemburg bezog, war nicht nur der Höhepunkt der Konferenz, sondern hatte auch Früh-Fidel-Castro’sche-Qualitäten. Wie überhaupt die „revolutionäre bolivarische Regierung“ Venezuelas, die bereits zwei US-gelenkte Umsturzversuche überstanden hat und einem dritten derzeit gefasst entgegensieht, von Kuba großzügige Bruderhilfe bekommt, dazu auch noch von der brasilianischen Regierung Lulas. Zudem sind die Zapatistas in Caracas sehr präsent.

Insgesamt legten die Reden – u. a. von Cesár Carillo, Gewerkschafter aus Kolumbien, Jorge Santana Peréz, Philosoph aus Kuba, und dem Autor Dario Azzellini – nahe, dass die Klassenkämpfe in Lateinamerika wieder ein ähnliches Ausmaß erreicht haben wie in den Siebzigerjahren. Mit dem Unterschied, dass man dort nun vom leninistischen Revolutionsmodell Abstand genommen hat und eher luxemburgistisch inspiriert ist. Wobei jedoch im Zuge der Machteroberung und -erhaltung neue Widersprüche auftauchen.

So betonte die Regierungsvertreterin der „bolivarischen Bewegung“, Granado, zwar ihre radikale Basisorientierung („So viel Demokratie gab es noch nie!“) sowie auch ihre anhaltende Ablehnung einer Einheitspartei und berief sich auf einen starken Rückhalt im Volk, an dem bereits 2002 der Militärputsch scheiterte, zugleich denunzierte sie aber das anstehende konterrevolutionäre Referendum mit denselben Argumenten, wie hierzulande die neoliberalen Staatsträger linke Volksabstimmungen und Initiativen abtun: Die Unterschriftenlisten seien gefälscht, gekauft oder in Irrenanstalten zusammengeklaubt worden. Und den Streik in der Erdölindustrie 2003 bezeichnete sie als „ökonomischen Putsch“ bzw. „Sabotage“.

Das ist ordinäres Staatsdenken – ungeachtet dessen, dass die Reaktion, bestehend aus katholischen Würdenträgern, Generälen, Großgrundbesitzern und Harvard-Finsterlingen (wir sahen sie in einem Film von zwei irischen Filmemacherinnen) ungefähr so sympathisch und volksnah sind wie Ustascha-Faschisten. Umso weniger versteht man das mangelnde Volksvertrauen der Chávez-Regierung!

Die positive Einstellung zur DDR bei den meisten Kongressteilnehmern war einer Problematisierung des Widerspruchs zwischen „Staat und Revolution“ auch nicht gerade förderlich. Das zeigte sich beim anspruchslosen Vortrag des kubanischen Staatsphilosophen Peréz, der nahezu kritiklos hingenommen wurde. Die undialektische Kehrseite tut sich dagegen bei den Westlinken auf, denen Azzellini und der Diskussionsleiter Jürgen Elsässer vorwarfen, es sich zu leicht zu machen, wenn sie sich nur mit Beautiful Losern bzw. mit „Bewegungen solidarisieren, die noch nicht an der Macht oder an der Regierung sind“.

Den Beweis dafür trat sogleich Peter Wahl vom Attac-Koordinationsrat an, indem er davon sprach, dass wir uns gerade in einer „hochinteressanten Phase der deutschen Geschichte“ befänden, weil die Beziehungen zwischen der Staatspartei SPD und den Gewerkschaften nun wirklich „zerrüttet“ seien – und Letztere sich noch einmal gegen den Neoliberalismus aufbäumen wollen.

In Kolumbien ist das schon lange der Fall – mit der Folge, dass hier weltweit „die meisten Gewerkschaftsvertreter ermordet werden“, wie der im Exil lebende Erdöl-Gewerkschafts-Sprecher César Carillo ausführte.