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Archiv-Artikel

Zurück aufs Land!

Das „freiwillige ökologische Jahr“ auf dem Land wird immer beliebter. Die Landverschickung von Künstlern und Schriftstellern auch. Sind auch Sie bereit fürs Land? tazzwei wird ab heute in unregelmäßiger Folge die „Agronauten“ zu Wort kommen lassen

VON HELMUT HÖGE

„Are you ready for the country – because it’s time to go?“

So fragte Neil Young bereits in den Siebzigerjahren in einem seiner Lieder, als im Westen die Landkommunebewegung anhub und in China die „gebildete Jugend“ massenhaft aufs Land geschickt wurde – um mit den Bauern zu leben, zu lernen und zu arbeiten: die „3 Mit“. Inzwischen erfreuen sich hierzulande das „freiwillige ökologische Jahr“ auf dem Land sowie auch die Landverschickung von Künstlern und Schriftstellern zunehmender Beliebtheit.

Ein feministisches Agrar-Institut in Westfalen, von Maria Mies und Claudia von Werlhof, redet gar (wieder) der „Subsistenzperspektive“ das Wort. Und der Agrarhistoriker Teodor Shanin behauptete jüngst, dass in Russland fast neunzig Prozent der Bevölkerung ihr Überleben der auf „gegenseitiger Hilfe“ basierenden „informellen Ökonomie“ der Dörfer verdanken.

Aus Frankreich berichtet der Bauernaktivist José Bové: Immer mehr Leute, die keine Bauern sind, wollen seiner Agrargewerkschaft beitreten, und die Landwirtschaftsschulen dort können sich vor Bewerbern nicht retten. Noch gibt sich das „agrikole Prinzip“ gegenüber dem „bürgerlichen“ also nicht geschlagen. In diesem Sommer bewarb Marlboro seine US-Jobvermittlungskampagne mit dem Spruch „Be a Ranch-Hand!“. Für den aus Westerstede stammenden Berliner Schriftsteller Kolja Mensing hat sich das Stadt-Land-Verhältnis bereits völlig umgedreht.

Der französische Semiologe Roland Barthes versuchte dagegen, noch sauber zu trennen: In der Stadt wird eine Metasprache gesprochen, auf dem Land dagegen eine Objektsprache.

Die erste Sprache verhält sich zur zweiten wie die Geste zum Akt: Die erste Sprache ist intransitiv und bevorzugter Ort für die Einnistung von Ideologien, während die zweite operativ und mit ihrem Objekt auf transitive Weise verbunden ist. Der Semiologe erwähnt als Beispiel den Baum: Während der Städter über ihn spricht oder ihn sogar besingt, da er ein ihm zur Verfügung stehendes Bild ist, redet der Dörfler von ihm – gegebenenfalls fällt er ihn auch.

Und der Baum selbst? Wenn die Axt in den Wald kommt, sagen die Bäume: Sieh mal! Der Stiel ist einer der Unsrigen. Dies behaupten jedenfalls die Waldarbeiter in der Haute-Savoie.

In unserer Dorfkolumne soll es zukünftig um die Objektsprache gehen. Sie hatte zunächst als mündliche Erzählung, die auf Erfahrung beruhte, ihren Wahrheitsgehalt verloren – weil die für das Erzählen notwendige „epische Zeit“ selbst verschwunden war. Der holländische Schriftsteller Geert Mak kam in seiner Geschichte des westfriesischen Dorfs Jorwerd 1998 sogar zu dem Schluss, dass er dabei den endgültigen „Untergang des Dorfes in Europa“ geschildert habe. Aber bereits Walter Benjamin sah eine Möglichkeit, dabei wenigstens die dörfliche Erzählkunst zu retten: nämlich in der Begegnung zwischen dem, der aus seiner unmittelbaren Produktionserfahrung berichtet, und dem, der das aufschreibt: Zusammen bilden sie nun den neuen Dorfkorrespondenten. Wir geben uns der begründeten Hoffnung hin, dass sie sich rhizomartig (wie Unkraut) vermehren: zum Besten dieser Kolumne.

Sie beginnt heute mit einem Beitrag des Regisseurs und Landwirts Detlev Buck – und wird künftig in unregelmäßiger Folge erscheinen.