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Archiv-Artikel

Mardi Gras: Zum Jubiläum in Sack und Asche

Australiens schwul-lesbisches Festival steckt im 25. Jahr seines Bestehens in einer großen Sinn- und Schuldenkrise

SYDNEY taz ■ Eigentlich sollte der 25. Mardi Gras in Sydney eine Superschau des glamourösen schwul-lesbischen Sydney werden. Statt Glitzerfummel sind jetzt jedoch Sack und Asche angesagt. Denn die Granden der Gay Community haben im vergangenen Jahr nicht nur den Mardi Gras an die Wand gefahren, sondern auch die Gay Games. Das internationale schwul-lesbische Sportfest endete im November, zwei Monate nach dem Konkurs des Mardi Gras, mit einem Defizit von 2,5 Millionen Dollar. Der „Neue Mardi Gras“, der am Samstag mit der großen Parade endet, sitzt nun nicht nur auf einem großen Schuldenberg, sondern steckt in einer tiefen Sinnkrise.

„Der alte Mardi Gras hatte, vom Erfolg überwältigt, den Bezug zur Basis verloren“, diagnostiziert Michael Woodhouse, Kovorsitzender des Mardi Gras. Die Basis verlor aber auch den Bezug zum Mardi Gras. Die in die Jahre gekommenen Politkämpen beklagten die zunehmende Kommerzialisierung des Festivals. Denn die junge schwul-lesbische Generation kann sich nicht einmal mehr im Ecstasy-Rausch vorstellen, dass bei der ersten Mardi-Gras-Demonstration 53 Teilnehmer verhaftet wurden.

Die diesjährige Jubiläumsparade versuche den Brückenschlag zwischen den Veteranen der Schwulenbewegung und der jungen Partygeneration, versichert Woodhouse. Der Mardi Gras sei auch ein „Paukenschlag“ im laufenden Wahlkampf im Bundesstaat New South Wales, dessen Hauptstadt Sydney ist. „Die Senkung des Schutzalters für schwulen Sex sowie die völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften stehen ganz oben auf unserer Liste politischer Forderungen.“

Im Visier des Mardi Gras stehen auch die Kirchen. Sydneys Anglikaner und Katholiken haben der Homosexualität den Kampf erklärt. Zum Mardi Gras lässt der katholische Erzbischof George Pell Vertreter der US-Organisation Courage durchs Land touren mit der Botschaft, Homosexualität sei durch Gebete und Therapie heilbar. Nicht minder konservativ ist Pells anglikanischer Kollege Peter Jensen. „Leider können wir die Bischöfe nicht einfach als Ewiggestrige abtun“, klagt Woodhouse. Ein Drittel von Sydneys Schülern besucht katholische Privatschulen.

Der bekannte Schwulenaktivist Rodney Croome klagt, auch der neue Mardi Gras bleibe „strikt bei schwul-lesbischen Themen“, statt sich auch zu anderen Themen wie dem Irakkonflikt zu äußern. Selbst der Aufruf des offen schwulen Senators und Chefs der Grünen, Bob Brown, „Sagt Nein zum Krieg“, verhallte bei den Mardi-Gras-Organisatoren ungehört. Nicht jedoch bei der Gay Community. Tausende Schwule und Lesben kamen zur Friedensdemo. Das parallele Mardi-Gras-Straßenfest litt dagegen unter Besuchermangel. Zur Parade hofft Woodhouse jetzt auf 500.000 Besucher.

MICHAEL LENZ