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Archiv-Artikel

Seid verschlungen Millionen

Immer teurer, immer später und noch kopflos: Bau der Hamburger Elbphilharmonie gerät zum Desaster. Rücktrittsgedanken des Intendanten verstärken Planungs-Chaos. Ab kommende Woche aber hat Hamburg zumindest einen Chef-Verhandler

DIE CHRONIQUE SKANDALEUSE

Juli 2005: Laut Machbarkeitsstudie zur Elbphilharmonie belaufen sich die Kosten auf 186 Millionen Euro. Der Senat beschließt, den Anteil der öffentlichen Hand auf 77 Millionen Euro zu begrenzen. Juni 2006: Christoph Lieben-Seutter, der das Konzerthaus Wien leitet, wird als künftiger Generalintendant vorgestellt. November 2006: Ole von Beust gibt bekannt, dass die Baukosten auf 241 Millionen Euro steigen. Der Anteil der Stadt klettert auf 114,3 Millionen Euro. Februar 2007: Die Hamburgische Bürgerschaft votiert einstimmig für die Elbphilharmonie. April 2007: Grundsteinlegung. Sommer 2008: Die Kultursenatorin gibt bekannt, dass sich die Eröffnung von 2010 auf 2011 verschiebt. Medien berichten, dass sich die Kosten auf 340 Millionen Euro erhöhen. September 2008: Der Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe, Hartmut Wegener, muss auf Drängen von Ole von Beust seinen Hut nehmen. MAC

VON MARCO CARINI

Dementieren wollte niemand. Medienberichte, nach denen sich die Eröffnung der Elbphilharmonie um ein weiteres Jahr – auf nun 2012 – verschieben werde, wurden am Dienstag weder von der Hamburger Kulturbehörde noch von dem Generalunternehmer, der Essener Hochtief, zurückgewiesen. Auch dass sich die Baukosten abermals erhöhen werden – von einst geplanten 187 auf nun rund 340 bis 380 Millionen Euro – blieb gestern ohne Widerspruch.

Stattdessen vertröstete die Kulturbehörde auf kommenden Monat. Am 1. November wird Heribert Leitner den verwaisten Posten des Chefs der städtischen Realisierungsgesellschaft übernehmen, die die Interessen Hamburgs gegenüber den beauftragten Planern und gegenüber Hochtief vertritt. Seit sein Vorgänger, Hartmut Wegener, von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Mitte September gefeuert wurde, war der Posten verwaist und Hamburg in den Verhandlungen mit Hochtief darüber, wer die Mehrkosten verursacht habe und nun begleichen müsse, kopflos. Ende November will die parteilose Kultursenatorin Karin von Welck der Hamburger Bürgerschaft verkünden, welche Kosten auf den Hamburger Haushalt zurollen und wann mit einer feierlichen Eröffnungsgala des Prestigeprojekts zu rechnen ist.

Zahlreiche Misstöne hatten in den vergangenen Tagen die Debatte über die Elbphilharmonie begleitet. So hatte von Welck vorige Woche zwar betont, der Bau-Zeitplan, der ursprünglich mit der Philharmonie-Eröffnung im Herbst 2010 endete, sei nur viereinhalb Monate in Verzug. Sie hatte aber „nicht klar beantworten“ können, ob zumindest für 2011 eine Eröffnung gesichert sei.

Generalintendant Christoph Lieben-Seutter erklärte, er habe aufgrund der Unsicherheiten für die Spielzeit 2011 / 2012 noch „überhaupt keine Planung“ und plane nur Konzerte, die er notfalls auch in der alten Musikhalle, der Laeiszhalle, stattfinden lassen könne. Indirekt kündigte er seinen Rücktritt im Falle weiterer Verzögerungen an. Sollte das Konzerthaus erst 2013 eröffnet werden, sei das, so Lieben-Seutter, „ein Grund nicht mehr dabei zu sein“.

Als sei das der Hiobsbotschaften nicht genug, prophezeite Hamburgs Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD), die Stadt könne sich getrost schon mal auf Gesamtkosten in Höhe von rund 580 Millionen Euro einstellen. Wann aber ein Eröffnungstermin und ein Kostenvolumen genannt werden können, die belastbar sind, wagt niemand zu prophezeien. „Wir hoffen, dass wir bis Ende des Jahres einen deutlichen Schritt weiter sind“, sagt Hochtief-Sprecher Bernd Pütter.

Er betont allerdings, dass es auch in den vergangenen Wochen „laufend Gespräche mit Hamburg gegeben“ habe. Trotzdem sei es zu begrüßen, dass Leitner nun „zeitnah“ sein Amt antrete. Denn schließlich habe der Baukonzern „schon im Juli Lösungswege“ aus der Krise entwickelt, über die aber noch immer nicht abschließend beraten worden sei.

Kein Wunder, dass die oppositionelle Hamburger SPD sich bei so viel Sand im Getriebe genüsslich an dem „desaströsen Krisenmanagement“ des Senats weidet. Die öffentlichen Rücktrittsgedanken des Intendanten seien ein „Alarmsignal“, warnte sie. Die Hängepartie um die Wegener-Nachfolge habe das Projekt „noch teurer gemacht“ und weitere Verzögerungen zur Folge gehabt. Nun sei, unkt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ingo Egloff, „selbst eine Eröffnung in dieser Legislaturperiode nicht mehr sicher“.