: Armenhaus mit reichen Freunden
Am 1. März übernimmt Guinea von Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat und muss sich eine Irakpolitik zulegen.Die einstige Kolonie Frankreichs ist heute für die US-Strategie in Westafrika zentral und ist ökonomisch mit Russland verbandelt
von DOMINIC JOHNSON
Von einem der reichsten Länder der Welt geht der UN-Sicherheitsratsvorsitz am Samstag auf eines der ärmsten über. Für das westafrikanische Guinea dürfte die Nachfolge Deutschlands eine Gelegenheit sein, im Widerstreit zwischen den USA und Frankreich seine Interessen wahrzunehmen – wobei wohl Frankreich den Kürzeren ziehen wird.
Bis heute prägt Argwohn gegenüber Paris die guineische Politik. Guinea war 1958 der einzige Teil Französisch-Westafrikas, der bei einem Referendum für sofortige Unabhängigkeit stimmte. Die Kolonialmacht war beleidigt, entließ das Land ohne jegliche Hilfe in die Freiheit und sorgte für internationale Isolation des jungen guineischen Führers Sékou Touré. Dem blieb nichts anderes übrig, als sich der Sowjetunion anzunähern, die die Lage ausnutzte, um sich führende Positionen in Guineas Bergbau zu sichern. Guinea hat ein Viertel der Bauxitreserven der Welt und alimentiert damit bis heute die russische Aluminiumindustrie.
Seit dem Tod Tourés 1984 und der Machtergreifung des seitherigen Präsidenten Lansana Conté hat sich daran nur wenig geändert. Die geschäftlichen Verbindungen zu Moskau blieben, politisch kam eine Annäherung an die USA dazu, die inzwischen Hauptabnehmer des guineischen Bauxits sind.
Als Frontstaat gegen die Bürgerkriege in Liberia, Sierra Leone und heute in geringerem Maße Elfenbeinküste ist die Stabilität Guineas von übergreifendem Interesse für die USA. Guinea wurde 1996 Rückzugsgebiet für den von Großbritannien unterstützten Präsidenten Sierra Leones, als dieser von seiner Armee gestürzt wurde, und diente danach als Basis für Angriffe auf sierra-leonische Rebellen. Seit 2000 erhält Guinea US-Militärhilfe, vor allem bei Ausbildung und Modernisierung der Streitkräfte. Nicht ohne Zusammenhang damit kämpft seit 2001 in Liberia die von Guinea maßgeblich unterstützte Rebellengruppe Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie), die heute kurz vor der Hauptstadt Monrovia steht. Liberias Präsident Charles Taylor steht wegen Förderung von Kriegen in Nachbarländern und vermuteten Beziehungen zu al-Qaida auf der Abschussliste der USA.
Als wichtiges Glied im westafrikanischen Teil des US-amerikanischen Antiterrorkrieges dürfte es Guinea nicht schwerfallen, auch im Sicherheitsrat für die US-Position Verständnis zu haben – obwohl Guinea beim letzten franko-afrikanischen Gipfel in Paris offiziell die Haltung Chiracs billigte. Umso mehr, als Präsident Conté angeblich sterbenskrank ist und sich bereits alle möglichen Politiker in seinem Umfeld als eventuelle Nachfolger profilieren.
Um den Guineern die Entscheidung zu erleichtern, reisten in den letzten Tagen die Afrika-Staatssekretäre der USA und Großbritanniens hintereinander in die Hauptstadt Conakry und überbrachten Nachrichten vertraulichen Inhalts. Aus Conakry wird berichtet, die USA hätten 29 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe zugesagt, damit Guinea im Sicherheitsrat für eine zweite Irakresolution stimmt.