Gen-Mais macht mobil

Mit Blick auf Gentech hat Ministerin Künast stets vor einem „Krieg in den Dörfern“ gewarnt. Mit dem neuen Gentech-Gesetz hofft sie auf Frieden

VON NICK REIMER
UND WOLFGANG LÖHR

„Ich glaube, dass sich Politik nicht einfach so vom Acker machen kann.“ Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Grüne) kam gestern – wahrscheinlich ungewollt – komisch daher. In Berlin stellte sie das neue Gesetz zur Gentechnik in der Landwirtschaft vor – mit ebendiesen Worten. Einst hatte Künast den „Krieg in den Dörfern“ vorhergesagt. „Mit dem Gesetz wird es den nun nicht geben“, sagte Künast gestern. Weil die Politik auf dem Acker blieb.

Das Ergebnis der politischen Beackerung ist das Gesetz zur Gentechnik in der Landwirtschaft. Sein Ziel: die Koexistenz von ökologischer, konventioneller und gentechnisch veränderter Agrarwirtschaft. Vier Punkte hob die grüne Ministerin hervor. So stand bislang das Gesetzeswerk ausschließlich unter der Fahne der Forschungsförderung. „Das haben wir in der Präambel geändert“, sagte Künast – fortan steht die Koexistenz im Vordergrund. Zweitens beschreibt das Gesetz den Haftungsrahmen. „Es definiert nämlich, was eine wesentliche Beeinträchtigung ist.“ Die Frage also, was passiert, wenn die Ernte eines eigentlich gentechnikfrei arbeitenden Bauern durch Pollenflug und Auskreuzungen verunreinigt wird und dieser seine Ernte nicht mehr als Gentech-frei verkaufen kann. Betroffene können auf Grundlage dieses Gesetzes den wirtschaftlichen Schaden beim Gentechnik nutzenden Nachbarn geltend machen.

Drittens sieht der Text ein Standortregister vor, das den Landwirten „flurstückgenau“ dokumentiert, wer wo welche gentechnisch veränderten Organismen eingesetzt hat. Und viertens schließlich schreibt das Gesetz den Gentech-Landwirten eine Vorsorgepflicht vor. Geeignete Maßnahmen wie Pollenflughecken oder Abstandsregelungen sollen die Verbreitungsgefahr eindämmen.

Wie so oft steckt auch bei diesem Gesetz der Teufel im Detail: Wie diese „geeigneten Maßnahmen“ nämlich aussehen, wird erst von einer Verordnung geklärt werden müssen. „Die ist gerade unter den Fachleuten im Ministerium in der Feinabstimmung“, erklärte Künast. Sie verwies darauf, dass eine solche Regelung über die „gute fachliche Praxis“ nicht ungewöhnlich sei: Das Ausbringen von Gülle etwa sei genauso geregelt.

„In der Konsequenz bedeutet das, wer gegen die in der Verordnung festgelegten Praktiken verstößt, macht sich einer Ordnungswidrigkeit schuldig.“ Andersherum heißt das aber nicht, dass – wer diese Praktiken einhält und trotzdem den Nachbarn schädigt – straffrei ausgeht. Im Gegenteil: Das Gesetz räumt geschädigten Bauern gewisse Beweiserleichterungen ein, nimmt die GVO nutzenden Bauern notfalls auch gesamtschuldnerisch in Haftung. Letztlich werden aber die Gerichte darüber entscheiden, wie weit die Haftungsregelungen tatsächlich greifen.

Einer ganzen Reihe von Juristen dürfte sich ein neues Geschäftsfeld erschließen. Der verseuchte Bauer muss nämlich – auf Grundlage des Künast’schen Gesetzesentwurfs – seine Ausfälle einklagen. Wenn zum Beispiel ein Biobauer seine Ernte wegen Verseuchung nicht mehr als Bio verkaufen kann, verklagt er den Verursacher auf Schadensersatz. „Wann der Geschädigte sein Geld bekommt, hängt von der Anzahl der Instanzen und der Dauer des Verfahrens ab“, sagte Künast gestern. Und natürlich vom Geschick der Bauern, ihre Rechte juristisch geltend zu machen.

Den Umweltorganisationen geht der Gesetzesentwurf deshalb auch nicht weit genug. Das sei eine „Mogelpackung“, kritisiert Henning Strodthoff, Gentech-Experte bei Greenpeace. Statt Bauern das Recht auf Gentech-Anbau zu garantieren, müsse das Gesetz Verbraucher und Bauern vor den ungewollten Kontakten mit den Gentech-Produkten schützen. Für völlig unzureichend hält Strodthoff auch das von Künast vorgesehene Standortregister. Um die vollständigen Daten über den Gentech-Anbau einsehen zu dürfen, müsse jedes Mal nachgewiesen werden, dass ein berechtigtes Interesse bestehe. Strodthoff verweist darauf, dass es künftig auch möglich sein soll, experimentelle Freisetzungen genehmigt zu bekommen, ohne dass ein konkreter Standort genannt werde. Erst drei Tage vor Beginn müsse den Behörden der Ort mitgeteilt werden. Damit gebe es dann keine Einspruchsmöglichkeit mehr.