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Archiv-Artikel

Schnupperkurs in Foltertechnik

SM-Studios werden womöglich in Zukunft Arbeitsplatz der Staatsanwaltschaft

Ein Zufallsprinzip wählt zu jeder Zeit unschuldige Menschen aus

Noch ist die Wiedereinführung der Folter in Deutschland nicht unter Dach und Fach, und noch ist unklar, woher die notwendigen personellen und technischen Folterkapazitäten kommen werden. Wird die Polizei schon bald Wochenend-Schnupperkurse in Foltertechniken anbieten? Müssen die Geschichts- und Völkerkundemuseen des Landes demnächst ihre gesammelten Streckbänke, Spieße und Eisenzangen vom TÜV überprüfen lassen und den Behörden zur Verfügung stellen? Können SM-Studios künftig zur Durchführung von Befragungen durch die Staatsanwaltschaft angemietet werden?

Offene Punkte, die in den nächsten Tagen und Wochen zweifelsfrei geklärt und geregelt werden können. Jetzt schon vorstellbar aber sind weiterführende Projekte, welche zum Beispiel die Frage berühren, ob nicht angesichts der Beschaffenheit der Weltlage auf die Folter zwingend die vorbeugende Präventivfolter folgen muss, damit Gräueltaten schon vor der Ausführung erkannt und verhindert werden. Muss man wirklich erst Terroranschläge, Kindesentführungen und Amokläufe abwarten, bevor gehandelt wird? Ist Zuspät etwa die richtige Uhrzeit? Nein, wer erst dann foltern will, wenn das Verbrechen längst vorbei ist, kann sich die Folter gleich schenken. Nur wer vorbeugend foltert, wird sich manchen Schicksalsschlag ersparen. Es ist mit der Folter so wie mit vielen Dingen: Man muss sich beizeiten darum kümmern. Parallel zur individuellen Präventivfolter wäre die Reihenfolter sicher eine sinnvolle Maßnahme, bei der alle Menschen einer bestimmten Altersgruppe einer prophylaktischen Vorsorge-Folter unterzogen werden, um Gefährdungspotenziale schon im Ansatz zu bekämpfen. Denn was nützt es, Einzelne herauszugreifen und sie mit gutem Grund zu foltern, während die große Masse weiter in der großen Masse untertaucht? Mit der Reihenfolter hingegen hätte der Staat ein Instrument zur Hand, nicht bloß potenzielle Täter zu erwischen, sondern auch solche, die vielleicht noch gar nicht wissen, was sie eines Tages zu tun imstande sind. Wer schon früh mit der Folter Bekanntschaft macht, verzichtet womöglich auf das eine oder andere spätere Delikt.

Mit Präventiv-, Vorsorge- und Reihenfolter ist die eminente Gefahr, in der unsere Gesellschaft schwebt, natürlich noch lange nicht gebannt. Es sind ja gerade die normalen, unauffälligen, gut situierten Leute, welche sich die Blauäugigkeit der Bevölkerung zunutze machen. Der Mensch als solcher ist unberechenbar. Das aber kann kein Freibrief für eine halbherzige Folter sein. Bestimmte Tätergruppen werden immer einen Weg finden, noch durch die engsten Maschen des Gesetzes zu schlüpfen. Alle Menschen regelmäßig zu foltern ist deshalb eine sichere Alternative, aber ist sie auch sicher genug?

Nein, in Abwägung sämtlicher kostbaren und weniger kostbaren Rechtsgüter wird jeder zu dem Schluss kommen, dass die Folter auch unregelmäßig, also willkürlich anzuwenden ist. Ergänzend zur Reihen- und Vorsorgefolter, die sich schnell als zu durchschaubar, zu berechenbar erweisen könnten, muss die Folterwillkür eingeführt werden. Ein Zufallsprinzip wählt zu jeder Tages- und Nachtzeit unschuldige Menschen aus, die auf Herz und Nieren gefoltert werden. Das wird vielen im ersten Augenblick nicht passen, aber hinterher, wenn die Verbrechen vereitelt sind, dankbar als unausweichlich akzeptiert werden.

Es wird nicht lange dauern, bis die Mehrheit der Menschen versteht: Ohne Folter ist Glück undenkbar. Oder, um es mit den Worten eines berühmten deutschen Dichters zu sagen: Wo gefoltert wird, da lass dich ruhig nieder. Bleibt zuletzt die nicht unwichtige Frage, wie weit die Folter gehen kann und muss, um die nötige Aufklärungsquote sicherzustellen. Da die Würde des Menschen, wie es die Verfassung vorschreibt, ohnehin unantastbar ist, sind vom Gesetzgeber hier keine Grenzen gesetzt. Das ist auch gut so, denn die Gefolterten würden eine Beschränkung der Folter sofort zu ihren Gunsten ausnutzen, um tatrelevante und am Ende entscheidende Einzelheiten letztlich zurückzuhalten. Gerade das aber würde mit einem Schlag Sinn und Zweck der gesamten Folterarbeit in Frage stellen. Aus diesem Grund wird es unumgänglich sein, die finale Rettungsfolter in jedem Einzelfall in Anwendung zu bringen. So und nur so wird unsere Gesellschaft die befreiende Chance, die in der vollständigen Umsetzung der Folter liegt, wahrnehmen können.RAYK WIELAND