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Archiv-Artikel

Der Qualitätschecker

„Der Matratzenschoner ist der Mikrokosmos des Zimmers“, sagt der Hoteltester Michael Bauer und verrät die Schwachpunkte der Hotellerie

Interview: GÜNTER ERMLICH

taz: Herr Bauer, wie viele Hotelzimmer haben Sie bereits getestet?

Michael Bauer: Oje, sicherlich weit über 2.000. Ich teste Hotels schon seit 1986.

Wohin fällt Ihr erster Blick beim Betreten eines Hotelzimmers?

Mein erster Blick fällt gar nicht, meine erste Sinneswahrnehmung ist die Luftqualität, ob das Zimmer ordentlich gelüftet ist.

Worauf achten Sie beim Bett, dem wichtigsten Hotelutensil?

Ich reiße erst mal das Leintuch runter und gucke mir den Matratzenschoner an. Da entpuppen sich schon alle Schwachstellen des Hauses.

Inwiefern?

Der Matratzenschoner ist der Mikrokosmos eines Zimmers: Wir sehen die gekräuselten schwarzen Haare der Vorgänger, unter Umständen sämtliche Flecken, die bei einer DNA-Analyse sehr aufschlussreich wären.

Wenn der Matratzenschoner durchfällt, fällt dann das ganze Hotel durch?

Zumindest das Housekeeping. Wenn ich drei Hotelzimmer gecheckt habe, kann ich eine verlässliche Aussage über die Qualität des ganzen Hauses machen: Wie funktioniert das Management, hat die Hausdame ihre Damen im Griff, wie wird mit der Sauberkeit umgegangen? Ein allgemein gültiger Spruch ist immer noch: Schau dir die Toiletten eines Hauses an und du weißt ungefähr, wie es insgesamt aussieht.

Welche Bereiche im Hotel prüfen Sie auf Herz und Nieren?

Wir checken alle Bereiche, die auch dem Gast zugänglich sind, also den Front-office-Bereich.

Worauf achten Sie im Vergleich zum normalen Gast besonders?

Als Hoteltester gucke ich zum Beispiel, ob die persönliche Sicherheit des Gastes gewährleistet wird: Bekommt man leicht eine Kopie des Zimmerschlüssels, werden die Zimmernummern über das Telefon heraus gegeben? Ich behaupte, dass ich zwei Nächte im Berliner Estrel-Hotel verbringen könnte, ohne einzuchecken.

Welches ist ein unverzeihlicher Fauxpas im Hotel?

Unser Credo lautet: Fachliche Fehler vergeben wir immer, Unfreundlichkeit nie. Die Hardware betrifft nur die Ausstattung eines Hotels: Gibt es eine Minibar oder gibt es keine? Heute schafft aber Marmor allein keinen Luxus. Luxus ist viel mehr, Luxus ist eine Streicheleinheit für Ihr Selbstwertgefühl. Es geht um Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit, die so genannte Software.

Wie testen Sie denn die Software, also die Mitarbeiter im Hotel? Bestellen Sie schon mal nachts probehalber einen Tee?

Es geht doch um Dienstleistungskriterien, zum Beispiel den 24-Stunden-Roomservice. Ein Hotel ist ein Mikrokosmos, es kann alles passieren. Ihnen wird schlecht, Sie würden ein Königreich für einen Kamillentee geben. Was passiert in einem guten Haus, wenn Sie morgens um vier Uhr einen Tee verlangen? Ist die Person an der Rezeption willens, ein paar Teebeutel zu organisieren und Ihnen einen Tee zu servieren?

Was muss ein Hoteltester für Eigenschaften mitbringen?

Sie brauchen einen negativen Fokus. Das Glas ist also halb leer und nicht halb voll. Weiter brauchen Sie eine ungeheure Flexibilität und eine supergute Konstitution, weil Sie vier Mal am Tag essen und mit wenig Schlaf auskommen müssen. Sie sind nachts um halb zwei der letzte an der Hotelbar, um zu gucken, ob die Jungs beim Kassenabschluss bescheißen und um 6.30 Uhr der erste beim Frühstücksbüfett.

Welche beruflichen Qualifikationen erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Er braucht jahrelange Führungserfahrung in der gehobenen Hotellerie, perfekte Sprachkenntnisee in Englisch, er muss wissen, was Abschlussstöpsel auf Englisch heißt, er muss mit dem Laptop umgehen können, das Microsoft-Office-Paket beherrschen und braucht einen unbestechlichen Blick. Ich suche übrigens gerade einen Hoteltester!

Wodurch zeichnet sich die Testmethode Ihrer Consultingfirma aus?

Anhand einer Checkliste – das sind 1.600 Einzelpunkte – prüfen wir ein Hotel in 48 Stunden. Wir machen ein Qualitäts-Audit. Ich bin wie ein Coach, der alles penibel dokumentiert und abbildet. Meine Aufgabe ist es dann, dem Kunden möglichst verzerrungsfrei den Spiegel vorzuhalten. Der Qualititätscheck wird dann mit dem Hoteldirektor oder direkt mit der Hotelbetriebsgesellschaft besprochen. Oftmals sind die Tantiemenzahlungen, die der Hoteldirektor am Jahresende erhält, von unseren Testergebnissen abhängig.

Haben Sie schon mal ein Hotel gecheckt, bei dem in puncto Hard- und Software alles stimmte?

Ja, das Sporthotel Traube Tonbach in Baiersbronn. Das ist mein Geheimtipp in Deutschland. Ein zweites Tophotel ist sein Mitbewerber, das Hotel Bareis in Baiersbronn-Mitteltal.

Können Sie überhaupt noch als normaler Gast die Atmosphäre eines Hotels genießen – ganz ohne professionellen Röntgenblick?

Meine Freundin behauptet steif und fest: nein! Aber immerhin – wenn ich privat unterwegs bin, schaue ich nicht auf den Matratzenschoner. Das tue ich mir nicht an!