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Kleiner Bruder in der Klemme

Mexikos Stimme im Weltsicherheitsrat ist hart umkämpft. Präsident Fox will eigentlich gegen den Irakkrieg sein, doch Mexikos Zukunft hängt an den Beziehungen zu den USA

„Freunde erkennt man daran, dass sie aufrecht stehen und nicht vor einem knien“

MEXIKO-STADT taz ■ „Warum zum Teufel“, schimpft der populäre Kolumnist German Dehasa, „wollten wir eigentlich unbedingt in diesen Sicherheitsrat?“ Die Frage dürfte derzeit auch die mexikanische Regierung umtreiben. Kaum ein anderes Land der in der Irakfrage unentschiedenen Ratsmitglieder steckt derzeit so sehr in der Bredouille wie Mexiko.

Mit einem Ja für die Kriegspläne der USA „verleugnet Mexiko sich selbst“, schreibt Dehasa. Die außenpolitische Doktrin des Landes gebietet seit jeher strikte Nichteinmischung in anderer Länder Angelegenheiten. Entsprechend hatte Präsident Vicente Fox, trotz seiner bekannten Sympathie für Bush, noch Anfang Februar ein unerwartet deutliches „Nein zum Unilateralismus“ verkündet. Damit hat der bislang eher glücklose Wende-Präsident zudem erstmals in seiner zweijährigen Amtszeit die öffentliche Meinung fast geschlossen hinter sich; nach jüngsten Umfragen befürworten gerade 16 Prozent der Mexikaner einen Militärschlag gegen Irak.

Ein „Nein“ kann sich das Land jedoch kaum leisten. Keine Volkswirtschaft ist derart abhängig von den USA, mit denen Mexiko über 80 Prozent seines Außenhandels abwickelt. „Es gibt viele Knöpfe, die Washington drücken kann, um uns zum Schreien zu bringen“, schreibt die Analystin Soledad Loeza.

Kaum jemand hat dies so freimütig ausgesprochen wie die graue Eminenz der US-amerikanischen Außenpolitik, Henry Kissinger. „Die USA wären sehr verärgert, wenn Mexiko gegen sie stimmt oder sich der Hilfe enthält“, sagte der Exminister kürzlich gegenüber mexikanischen Unternehmern.

Und mit Hilfe ist nicht nur der Sicherheitsrat gemeint. Im Kriegsfall rechne man „mit einem signifikanten Anstieg“ der Erdölimporte aus Saudi-Arabien, Venezuela und Mexiko, heißt es in einem vertraulichen Papier des US-amerikanischen Energieministeriums. Da Saudi-Arabien bei einem Krieg ohne UNO-Mandat als Lieferer ausfällt und auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez bekanntlich kein Freund Washingtons ist, richtet sich das Augenmerk auf Mexiko: wurden 2002 im Schnitt täglich um die 1,5 Millionen Fässer produziert, so solle die Fördermenge im Kriegsfall um eine halbe bis eine Million erhöht werden.

Zwar hat der mexikanische UN-Botschafter Adolfo Aguilar Zinser am Donnerstag, zusammen mit seinem chilenischen Kollegen, eine neue UN-Resolution noch abgelehnt. Am selben Tag dementierte auch der neue Außenminister Luis Ernesto Dérbez Meldungen, Mexiko sei längst auf US-Linie eingeschwenkt. Doch in der offiziellen Syntax zeichnet sich dieser Tage eine auffällige Kehrtwende ab: neuerdings nennt Fox die„Entwaffnung Iraks“ als erste Bedingung für den Weltfrieden.

Für bilaterale Unruhe sorgte letztes Wochenende der neue US-Botschafter in Mexiko, Tony Garza. „In Krisenzeiten Zeiten weißt du, wer deine Freunde sind“, orakelte der frischgebackene Diplomat. Das ohnehin „schwierige“ Thema eines – von Mexiko seit Jahren geforderten – Migrationsabkommens, so Garza, könne angesichts der aktuellen Lage vollends „unmöglich“ werden. Die unverhohlene Drohung löste heftige Empörung aus. So rügte der Schriftsteller Carlos Fuentes: „Freunde erkennt man daran, dass sie aufrecht stehen und nicht vor einem knien“.

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